Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
den 1990er-Jahren als Ersatzlebensraum zugewiesen wurde. »Wir dürfen keine Tiere halten und keinen Honig mehr ernten, die Grundlage unseres Lebens«. Die wirtschaftliche Nutzung des Waldes, so kaut die Forstbehörde die WWF-Ideologie wieder, beschädige seine »Ursprünglichkeit«. Wie überlebt Muthammas Volk? »Wir werden jeden Tag mit einem LKW abgeholt und zu einer Kaffeeplantage gebracht. Dort müssen wir für 120 Rupien (2 Euro) am Tag arbeiten; die anderen Arbeiter bekommen das Doppelte. Wir müssen das tun, sonst würden wir vor Hunger sterben. So wollen sie unseren Stolz brechen.«
Landraub
Das Waldnutzungsverbot führt zum schleichenden Verlust des Gemeineigentums der Adivasi – und am Ende zum Untergang ihrer Kultur; sie treibt der Plantagenwirtschaft, die sich in die Wälder hineinfrisst, ein Heer billiger Arbeitskräfte in die Arme. Die »freiwillige « Umsiedlung ist in der Praxis nichts anderes als eine Fortsetzung der alten staatlichen Vertreibungspolitik mit sanfteren Mitteln. Die Prinzipienerklärung des WWF macht einen guten Eindruck auf Konferenzen, Fachtagungen und auf den Websites. Aber sie ist nicht viel mehr als ein Papiertiger, die Wirklichkeit ist hier.
Im Dorf der Honigsammler haben sich inzwischen fast alle Einwohner um uns herum versammelt. Mir fällt auf, dass sich die Frauen mit größter Selbstverständlichkeit und Freimut an der Debatte beteiligen. In der Menge entdecke ich einige Männer mit Babys auf den Armen. Die klassische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern existiert hier offenbar nicht. Schon Buddha war von der egalitären Kultur der Adivasi tief berührt, als er vor 2500 Jahren durch Indien reiste. Er erhob sie zum Modell für seine Idee einer menschlichen, genügsamen und demokratischen Gesellschaft. So sollte der Mensch auf Erden leben: ohne Geld und ohne Gier nach materiellem Besitz. Viele Elemente dieser Kultur sind noch erhalten, aber auch die Adivasi sind nicht resistent gegen die Verlockungen des Konsums. Das wird klar, als die Stille des Waldes plötzlich vom elektronischen Ring-Ring eines Telefons gestört wird. Muthamma lächelt verlegen und kramt ein Handy aus der Tiefe ihres Kleides. Alle lachen.
Ein alter Mann meldet sich zu Wort und stellt sich als Bhaskaran vor. Er hat für den indischen Tigerforscher Dr. K. Ullas Karanth als Spurensucher gearbeitet: »Wir wissen, wo die Tiger sind, und können seine Spuren lesen. Er wollte den Tigern Halsbänder mit Peilsendern umlegen, um ihre Bewegungen zu orten. Dazu muss der Tiger mit einem Betäubungsgewehr außer Gefecht gesetzt werden. Aus Angst geben die Wissenschaftler ihm oft eine zu hohe Dosis und er stirbt an Herzversagen. Ich habe das mit eigenen Augen gesehen. 15 Tiger sind auf diese Weise ums Leben gekommen. Sie wurden beim Tigerzensus trotzdem mitgezählt. Man hat die Sender einfach im Dschungel liegen lassen und sie senden weiter, als würden die Tiger noch leben.«
Ob der WWF von den Todesfällen, die der Tigerschutz verursacht, weiß, ist nicht bekannt. Das spendende Publikum im Westen jedenfalls hat davon noch nichts gehört. Der WWF sammelt für das Aufstellen von Tiger-Fotofallen und für die kostspieligen Peilsender, obwohl ihr wissenschaftlicher Wert angezweifelt werden kann. In einem Spendenaufruf mit dem Titel Tiger in Not bittet der WWF um einen Spende von 60 Euro: »Damit können wir Fotofallen installieren. Die Bilder geben Auskunft, in welchen Gebieten Tiger leben. Diese Informationen sind sehr wichtig und Grundlage für die Festlegung und Ausweisung neuer Schutzgebiete.«3
Das sei »unnötig«, sagt Ullash Kumar, »wenn es in einem Wald Tiger gibt, dann kann dir das jeder Bewohner in den umliegenden Dörfern sagen.« Tiger hinterlassen eindeutige Spuren, mit denen sie ihr Revier markieren. Ullash Kumar hält die Tigerkampagne deshalb für nutzlos, aber sie sei ein großes Geschäft, von dem in Indien viele Menschen leben: Beamte, Tigerexperten und Politiker. Je mehr Tiger ein Bundesstaat an die Zentralregierung meldet, desto mehr Geld bekommt er aus dem staatlichen Tigerbudget, das sich wiederum aus internationalen Zuwendungen speist.
Die Tigerpolitik ernährt also indirekt eine riesige und korrupte Forstverwaltung. Ullash Kumar erzählt mir von dem Schutzgebiet KMTR in Tamil Nadu , das gerade zum »bedrohten Tigerhabitat« erklärt wurde: »Dabei gibt es in diesem Gebiet keinen einzigen Tiger mehr. Der letzte wurde vor 40 Jahren gesehen.« Der Tigerschutz, so Ullash Kumar,
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