Schwarze Heimkehr
klar?« fragte Heitor.
»Die Dunklen Steine werden es wissen«, antwortete Antonio, und das alarmierte Heitor. Antonio preßte seine Handflächen vorsichtig gegen die linke Wade der Frau und tastete mit den Fingern nach dem Muskel. Der Hinterkopf der Frau ruhte an der Glasscheibe, und sie hatte die Augen geschlossen. »Ich brauche dich«‚ murmelte Antonio.
Heitor umwölbte mit seiner linken Hand das angezogene Knie der Frau. Obwohl sie beschäftigt waren, blickten sich die beiden Brüder in die Augen. Es sprang etwas zwischen ihnen über, das einem Funken oder einer Energie war.
Dann gab die Frau einen kleinen Seufzer von sich und öffnete ihre grauen Augen, in denen man die Erinnerungen ihres langen Lebens lesen konnte.
»Hier ist Ihr Portemonnaie«, sagte Heitor, als ihr Blick ihn traf. »Ich glaube nicht, daß etwas fehlt.« Sein Lächeln schien sie zwingen zu wollen, ebenfalls zu lächeln.
»Fühlen sie sich besser?« fragte Antonio.
»Ja, viel besser.« Sie wollte aufstehen, und die Brüder halfen ihr. Die Frau blickte von einem Gesicht zum anderen und war offensichtlich erstaunt. »Es ist vorbei. Ich fühle überhaupt keinen Schmerz mehr, als wäre nichts passiert.«
»In unserer Heimat gibt es ein Sprichwort« Heitor überreichte ihr die Brieftasche. »›Wenn die Sünde kommt, ist die Nacht nur noch ein Schatten ihrer selbst.‹«
»Du meinst wohl: ›Wenn der Tag kommt‹«, verbesserte Antonio.
»Vielleicht.« Heitor lächelte.
Während die Frau die Zwillinge abwechselnd ansah, hob Antonio einladend den Arm. »Escuchame, Seňora. Treten sie ein und trinken sie etwas.
Sientase
. Fühlen sie sich wie zu Hause.«
»Sie sind außergewöhnlich nett.« Die Frau ließ sich in den Club und zu einem Sofa führen. »Sie haben sich wundervoll benommen und sind wirklich wahre Samariter.«
Während Heitor einen Milchkaffee für sie bestellte, hörte er, wie sie zu Antonio sagte: »Menschen wie sie geben einem den Glauben an die Menschheit zurück.«
»
Bueno, Seňora.
Es gibt nichts Besseres, als zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, oder?«
Einen Augenblick später trat Antonio neben Heitor an die Bar. Um sie herum glänzte poliertes Kupfer, und sie waren in eine Wolke wohlriechenden Dampfes eingehüllt.
»Unsere geheiligte Mutter weiß, daß wir eigentlich immer so gute Menschen sein könnten«, sagte Heitor.
»Wenn wir es wollten.« Antonio stützte die Ellbogen auf den Tresen. Er schien entspannt und fast schläfrig zu sein wie ein Krokodil in der Nachmittagssonne.
Heitor beobachtete die Kellnerin, die der Frau den Milchkaffee, etwas Schokolade und Mandelbiskuits servierte. »Warum sollten wir es wollen?« fragte er.
»Unsere geheiligte Mutter kann es sich nicht vorstellen«, sagte Antonio. »Und ich auch nicht.«
»Das erinnert mich an damals, als ich überfahren wurde«, sagte Heitor, der von einer Wolke milchigen Dampfes eingehüllt wurde.
»Nicht übertreiben«, ermahnte Antonio. »Schließlich ist nur dein Arm unter das Rad geraten.«
»Das hat dich aber nicht daran gehindert, den Fahrer aus dem Wagen zu zerren.«
»Die Ehre ließ mir keine andere Wahl. Er hatte sich meinem Bruder gegenüber sorglos verhalten. Ich fühlte deine Schmerzen und wurde sehr wütend.«
»Ja, sehr wütend«‚ sagte Heitor beinahe versonnen. Auf eine bestimmte Art schien er jetzt lebhafter zu sein als vorher, als er den Kopf des kleinen Diebes an die Mauer der Gasse geschlagen hatte. Es war, als vibrierte er im Takt eines inneren Rhythmus. »Du hast sein Gesicht sehr, sehr ruhig festgehalten.«
»Während du in seine Augen starrtest.«
»Das war der angenehme Teil der Geschichten gestand Heitor. »Der Gedanke an die Dunklen Steine.«
Antonio trank einen großen Schluck Espresso, der mit Zimtschokolade garniert war. »Bis ihm das Blut aus der Nase und dem Mund spritzte.«
»Es tropfte von seinen Ohren wie bei einem Pferd, dem man die Peitsche gibt«, fügte Heitor leidenschaftlich hinzu.
»Du erinnerst dich an den besten Teil der Geschichten stichelte Antonio.
»Aber natürlich.« Der Ansturm der Erinnerung glich einem delikaten Geschmack auf der Zunge. »Wir kamen blutüberströmt nach Hause und sprangen in den Swimmingpool.«
»Während wir uns an den Händen hielten.«
»Wir waren vereint und so energiegeladen, daß wir mit dem Gebrüll nicht aufhören konnten«, sagte Heitor. »Dona kam raus, als sie die heiseren Schreie des Aufruhrs hörte.«
»Es war ihr Geburtstag.
Perfecto
.« Antonio
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