Schwarze Herzen
derselben Intensität wie ich ihn. Ihr wäre es absolut jedes Risiko wert gewesen, ihn zu befreien. Und möglicherweise die Ewigkeit mit ihm zu verbringen.
Wie sie das schaffen sollten, hatte sie nicht gewusst. Aber sie war entschlossen gewesen, es zu versuchen. Er nicht.
Den Göttern sei Dank, dass sie – Minuten, nachdem sie ihn aus dem Gebäude in die umgebenden Wolken geführt hatte – einem Mitglied seiner Schlampenparade begegnet waren. Von dort aus hätte er sich fortbeamen können, doch zum Glück hatte sie sein Halsband noch nicht entfernt. Das hatte sie erst tun wollen, wenn auch die letzte Wache außer Sichtweite war. So musste jeder, der sie zusammen herumlaufen sah, annehmen, dass sie einfach einen Gefangenen verlegte.
Doch draußen waren sie entdeckt worden. Niemand konnte sich aus dem Gefängnis heraus- oder in das Gebäude hineinbeamen, jeder musste die Haupttore passieren. Und Aergia, Göttin der Faulheit, hatte sich allen Ernstes entschlossen, früher zur Arbeit zu kommen, um sich – welch Überraschung – wieder mit Atlas zu treffen. Sie hatte Nike angehalten und gefragt, wohin er gebracht werden sollte.
„Ich quäle ihn, indem ich ihm zeige, was er nie wieder haben wird“, hatte Nike behauptet.
Die andere Göttin hatte die Stirn gerunzelt. „Na gut, bring ihn danach in mein Büro.“
„Warum?“
Das Stirnrunzeln hatte sich in ein träges, sinnliches Lächeln verwandelt. „Damit ich ihm … meine Art der Bestrafung zukommen lassen kann.“
In Nike war leise Furcht aufgestiegen. „Und wie bestrafst du ihn?“
„Was denkst du denn? Aber keine Sorge. Er wird danach um mehr betteln. Das tut er jedes Mal.“
In diesem Moment hatte Atlas versucht zu fliehen – hatte siebeide förmlich umgerannt. Doch mit der Halsfessel war er nicht weit gekommen. Nike hatte ihn wieder eingesperrt und, misstrauisch geworden, alle weiblichen Wachen befragt. Fast jede von ihnen hatte etwas mit ihm gehabt. Und ihnen allen hatte er dasselbe erzählt: Du bist wunderschön. Ich will mein Leben mit dir verbringen. Alles, was ich brauche, ist meine Freiheit, dann werde ich bis in alle Ewigkeit dein Sklave sein .
Also, noch mal mit ihm schlafen? „Hölle, nein.“
„Du willst mich“, sagte er schroff. Sein Griff auf ihrer Haut wurde fester, die Finger bohrten sich in ihr Fleisch, mussten ihr blaue Flecken zufügen. „Ich weiß, dass du mich willst.“
Und plötzlich wusste sie, worum es bei dieser kleinen Fummelorgie ging. Er wollte mit ihr schlafen, sie dazu bringen, sich wieder bis über beide Ohren in ihn zu verlieben, und sie dann fallen lassen. Er würde ihren Stolz zum Frühstück verspeisen, wieder ausspucken und die Reste zu Brei zertrampeln. Noch einmal. Alles, da war sie sich sicher, um sie dafür zu bestrafen, dass sie gewagt hatte, ihn so zu tätowieren, wie sie es getan hatte. Sie mit seinem Namen zu zeichnen war offenbar nicht genug.
„Dich wollen und dich tot sehen wollen sind zwei unterschiedliche Dinge.“ Mit einem zuckersüßen Lächeln tätschelte sie ihm die Wange. „Und ich kann dir versprechen, dass ich das Zweite unbedingt will. Was hingegen das Erste angeht … Das darfst du nicht so ernst nehmen.“ Na, wer spielte jetzt mit wem? „Also … sind wir hier fertig …? Ich meine mich zu erinnern, dass da ein niederer Gott auf meine Rückkehr wartet.“
Atlas fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Dann machte er sich von ihr los, ließ die Arme fallen und trat zurück. Fast wäre sie zu Boden gesunken, doch mit etwas Glück erlangte sie wieder das Gleichgewicht und hielt sich auf den Beinen. Ungerührt. So musste sie wirken.
„Wir sind fertig“, antwortete er knapp. „Wir sind so was von fertig.“
Gut, dachte sie. Warum also wollte sie plötzlich in Tränen ausbrechen?
5. KAPITEL
U m eine Einzelzelle für Nike zu schaffen, musste Atlas sieben Insassen auf andere Zellen verteilen – die auch ohne diese Verlegung bereits überfüllt waren. Doch es war die Zeit und Mühe wert. Er konnte den Gedanken an sie mit diesem Erebos einfach nicht ertragen. Wie sie mit diesem Bastard dieselben Dinge tat, die sie einst mit ihm, Atlas, getan hatte.
Nie. Im. Leben.
Niemals.
Und möglicherweise, ganz vielleicht, gab es da eine winzige Chance, dass er all das gar nicht tat, um sie zu bestrafen – sondern vielmehr wegen der Lust, die in ihm erwacht war. In ihren Armen war er zum Leben erwacht. Beim letzten Mal war es genauso gewesen, doch damals hatte er es noch als
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