Schwarze Herzen
Krallen in die Brust.
Er spürte, wie das Gift sich in seinem Inneren ausbreitete, ihn verätzte, sich durch seine Eingeweide fraß. Mit einem markerschütterndenSchrei schwankte er, sank auf die Knie. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Er starb.
Als der Schmerz nachließ, verschwand auch die Schwärze. Und dahinter war … nichts. Leere.
Nein, nicht ganz. In der Ferne schimmerte ein Licht. Er lief darauf zu, schnaufend und keuchend, und es kam näher, näher, beinahe … Geschafft.
Seine Lider flatterten. Er schlug sie auf und sah, dass sein Körper zu einem Haufen Asche geworden war. Doch sein Geist schwebte neben dem von Kadence. Ihr Mund stand offen, und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.
So viele Male in den vergangenen Jahrhunderten hatte er daran gedacht, seinem Dasein ein Ende zu bereiten. Doch er hatte es nicht getan, hatte an seinem Leben festgehalten, so trist es auch sein mochte. Wegen Kadence. Um sie zu sehen, sich vorzustellen, wie er sie im Arm hielt, und darauf zu hoffen, dass sich dieser Wunsch irgendwann einmal erfüllen würde.
Und das hatte er getan. Aus dem Traum war Realität geworden.
„Du bist … Geryon … du bist …“
Er blickte an sich hinunter. Alles an ihm war wie vorher. Klauen, Fell, Hufe.
„Bist du enttäuscht?“
„Wie bitte? Ich könnte nicht glücklicher sein! Ich liebe dich genau so, wie du bist, und würde dich niemals anders haben wollen. Aber du hättest dein Leben nicht für mich aufgeben dürfen“, sprudelte es unter Tränen aus ihr hervor – begleitet von einem breiten Lächeln, das sie nicht unterdrücken konnte.
„Jetzt bin ich wirklich frei“, sagte er. „Ich kann mit dir zusammen sein. Und ich würde es jederzeit wieder tun.“ Er legte die Arme um sie und drückte sie fest an sich. Endlich. Endlich konnte er sie wieder fühlen. Sie war nicht so warm wie vorher, ihnen beiden haftete nun eine vage Kühle an, doch mit dieserunwesentlichen Veränderung kam er zurecht. Hauptsache, er spürte sie. Seine Kadence.
„Ich liebe dich so sehr“, sagte sie und bedeckte sein Gesicht mit kleinen Küssen. „Nur, wie geht es jetzt weiter?“
„Wir werden leben. Endlich ein erfülltes Leben haben.“
Und das taten sie.
Als die Götter Kenntnis davon erlangten, dass die Barriere zwischen Erde und Hölle zerstört worden und eine Meute Hoher Herren in die Welt der Menschen entkommen war, sandten sie eine Armee unsterblicher Krieger aus, um die Mauer wieder aufzubauen – doch niemand konnte die Dämonen finden und einfangen. Und selbst wenn es jemandem gelungen wäre, die Götter wussten: Sie einfach zurück in die Hölle zu verbannen hätte schon bald einen erneuten Aufstand zur Folge gehabt.
Es musste also eine andere Lösung gefunden werden.
Wenngleich die Mauer auch eingestürzt sein mochte, die sterblichen Überreste der Göttin der Unterdrückung waren noch immer mit dem Tor zur Hölle verbunden. Und so bauten die Götter die Barriere wieder auf. Aus Kadence’ Knochen fertigten sie ein Gefängnis, klein wie ein Schmuckkästchen. Sie waren überzeugt, dass die Macht, die Kadence erst kurz vor ihrem Tod zu nutzen gelernt hatte, tief in ihrem Mark steckte.
Sie sollten recht behalten.
Einmal geöffnet zog die Büchse die Dämonen unwiderstehlich an, zerrte sie aus ihren Verstecken hervor und hielt sie gefangen, wie es nicht einmal die Hölle gekonnt hatte.
Zufrieden mit ihrem Werk gaben die Götter die Büchse in die Obhut von Pandora, der stärksten weiblichen Kriegerin jener Zeit, auf dass sie darauf achtgäbe. Doch dies ist eine Geschichte, die ich euch ein anderes Mal erzählen werde.
–ENDE–
Ein Interview
mit den Herren der Unterwelt
Tja. Also. William, der Außergewöhnliche, überwältigend Gutaussehende und Brillante hier. Ihr wisst schon, Anyas bester Freund und Ehrenmitglied (wenn nicht das beste überhaupt) der Herren der Unterwelt. Ich hab mir überlegt, es wäre sicher erhellend, wenn sich mal jemand mit den Herren hinsetzt und ein paar essenzielle Fragen stellt. Ihr wisst schon, nach so Sachen wie ihrer Lieblingsunterwäsche fragt. Also hab ich getan, was jeder gefeierte Journalist getan hätte, und die Jungs einen nach dem anderen in mein Büro eingeladen, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Ich hab mir gedacht, wenn die Götter schon ein Buch über euren Liebling geschrieben haben – ein Buch, das Anya immer noch als Geisel benutzt, die raffgierige Diebin –, dann wär’s doch auch nett, wenn die Herren ein eigenes Buch
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