Schwarze Herzen
Lächeln auf den Lippen.“ Bianka fuhr sich mit der Zunge über die geraden, weißen Zähne. „Aber unterhalten wir uns über dich. Du belauschst also gern Leute, ja? Klingt ein bisschen dämonisch für so einen kreuzbraven Engel.“
Über die Jahre hatte man ihm wesentlich schlimmere Dinge an den Kopf geworfen und ihn mit schrecklicheren Attributen bedacht als „dämonisch“. Aber dieses „kreuzbrav“ … Sah sie ihn wirklich so? Nicht als den gerechten Krieger, der er war? „Im Krieg tue ich, was ich tun muss, um zu gewinnen.“
„Stellen wir das mal kurz klar.“ Sie verengte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. In Wellen strömte ungebrochene Sturheit von ihr aus. „Wir lagen im Krieg miteinander, bevor ich dich überhaupt kennengelernt habe?“
„Korrekt.“ Und es war ein Krieg, den er gewinnen würde. Aber was würde er tun, wenn es ihm nicht gelang, sie auf den rechten Weg zu bringen? Natürlich müsste er sie vernichten, aber damit er das legalerweise tun durfte, rief er sich in Erinnerung, musste sie erst einmal eine unverzeihliche Sünde begehen. Obwohl sie bereits ein langes Leben gelebt hatte, war sie niemals über diese Grenze getreten. Was bedeutete, dass man sie dazu ermutigen müsste. Aber wie? Hier, abgeschieden von der Zivilisation – sowohl der sterblichen als auch der unsterblichen –, konnte sie keinen Dämon aus der Hölle befreien. Sie konnte keinen Engel töten. Abgesehen von ihm, aber das würde niemals passieren. Er war stärker als sie.
Vermutlich könnte sie Blasphemie begehen, aber niemals – niemals! – würde er jemanden animieren, das zu tun, aus welchem Grund auch immer. Nicht einmal, um sich selbst zu retten.
Die einzige andere Möglichkeit für sie wäre, einen Engel zum Sündenfall zu bewegen. Da sie seine Versuchung war – und er der einzige Engel, den sie kannte –, war er der Einzige, den sie dazu bringen könnte. Und er würde nicht fallen. Auch dafür galt: aus welchem Grund auch immer. Er liebte sein Leben und seine Gottheit. Und er war stolz auf seine Arbeit und alles, was er erreicht hatte.
Vielleicht würde er Bianka einfach hier lassen, allein für den Rest der Ewigkeit. Auf diese Art würde sie weiterleben, könnte aber keinen Ärger machen. Alle paar Wochen – vielleicht Monate – würde er sie besuchen, aber nie lange genug bleiben, dass sie ihn mit ihrer Verderbtheit infizieren könnte.
Ein plötzlicher Schlag auf die Wange ließ seinen Kopf seitwärts fliegen. Er runzelte die Stirn, richtete sich wieder auf und rieb sich die jetzt brennende Stelle. Bianka stand unverändert vor ihm. Nur dass sie jetzt lächelte.
„Du hast mich geschlagen“, stellte er fest, ihm war das Erstaunen deutlich anzuhören.
„Wie nett von dir, das zu bemerken.“
„Warum hast du das getan?“ Wenn er ehrlich war, hätte es ihn nicht überraschen dürfen. Harpyien waren von Natur aus genauso gewalttätig wie ihre nichtmenschlichen Gegenstücke, die Dämonen. Warum konnte sie denn bloß nicht auch aussehen wie ein Dämon? Warum musste sie so bezaubernd sein? „Ich habe dich gerettet, dir mein Blut gegeben. Ich habe dir sogar erklärt, warum du nicht fortkannst, genau wie du verlangt hast. Nichts davon hätte ich tun müssen.“
„Muss ich deine Missetaten wirklich noch mal von Anfang an aufzählen?“
„Nein.“ Das waren keine Missetaten! Aber vielleicht wäre es das Beste, das Thema zu wechseln. „Erlaube mir, dir etwas zu essen zu beschaffen“, bat er und ging zu dem Teller mit dem Hamburger. Als er ihn hochnahm, stieg ihm der Geruch von scharf gewürztem Fleisch in die Nase. Angewidert senkte er die Mundwinkel.
Obwohl er nicht wollte, obwohl sich ihm der Magen umdrehte, biss er ein Stück ab. Am liebsten hätte er gewürgt, doch es gelang ihm zu schlucken. Normalerweise aß er nur Obst, Nüsse und Gemüse. „Das“, erklärte er voller Abscheu, „gehört mir.“ Sorgsam darauf bedacht, sie nicht zu berühren, legte er den Teller in ihre Hände. „Du darfst nichts davon essen.“
Indem er mündlich Anspruch darauf erhob, wurde das Gerichttatsächlich zu seinem Eigentum. In ihren Augen sah er Begreifen aufleuchten.
„Oh, cool.“ Ohne Zögern stürzte sie sich auf den Burger, der in Sekunden bis auf den letzten Krümel verschwunden war.
Als Nächstes nahm er einen Schluck von dem Schokoladen-Milchshake. Der Zucker war fast obszön in seinem Mund, und diesmal würgte er tatsächlich. „Meins“, behauptete er noch einmal mit
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