Schwarze Pest aus Indien
ich hörte. Die chinesischen Ärzte werden dafür
bezahlt, daß die Menschen gesund bleiben — und zwar nur dafür und nur solange
dieser Zustand anhält. Wird jemand krank, hat der Arzt versagt — und kriegt
nichts mehr. Heilen muß er den Kranken trotzdem.“
„Ich weiß nicht, ob das heutzutage noch
so ist“, meinte Heilmann nachdenklich. Er sah auf die Uhr. „Hoffentlich bist du
heute mein einziger Patient. Ich muß um spätestens 17 Uhr mit meiner Frau
losfahren. Um 18.30 Uhr gibt Graf Glorithurn ein Abendessen. Der ganze Zirkus
ist ja nur für geladene Gäste. Und um 20 Uhr beginnt dann das...“
„...Gefidel“, ergänzte Tim, weil
Heilmann nicht weitersprach.
„...das Kammerkonzert.“
„Viel Spaß! Und ein schönes Wochenende,
Herr Doktor!“
„Das wünsche ich dir auch.“
4. Elsa erwartet den Einbrecher
Im Waschkeller war die Waschmaschine
explodiert — zumindest sah es so aus. Aufgeplatzt und übergelaufen war sie
bestimmt, mit einer Riesenschweinerei als Folge; und Elsa Kranig — die
ehemalige Kripo-Inspektorin und nunmehr verwitwete Industriellengattin — hatte
lange zu tun gehabt, um alles wieder in Ordnung zu bringen.
Flüche begleiteten das Aufwischen. Elsa
knirschte mit ihren blitzblanken Zähnen. Aber sie war enorm selbständig und
scheute vor nichts zurück. Sie konnte Radios reparieren, den Rasen mähen,
schaffte 39 Liegestütze — obwohl sie klein und grazil war — , verwaltete das
ererbte Vermögen selbst und konnte, ohne auf Stichworte zu warten, mindestens
40 Witze erzählen.
Jetzt schlurfte sie die Kellertreppe in
ihrer schicken Villa am Kosebella-Park hinauf, wusch sich die Hände im Bad,
nahm das Putzfrauen-Kopftuch ab und schüttelte sich die langen, braunen Haare
auf die Schultern.
Elsa hatte grüne Augen und eine etwas
zu lange Nase. Ansonsten war sie fast so hübsch wie Gabys bezaubernde Mutter,
mit der sie — Elsa — die Schulbank gedrückt hatte; jedenfalls bis zur Mittleren
Reife.
Elsa ging in die Küche und schenkte
sich ein großes Glas Milch ein.
Im Terrassenzimmer nahm sie eine
schlanke braune Zigarre aus einem Silberkästchen und gab sich Feuer.
Sie rauchte nur eine Zigarre pro Tag.
Fünfmal schon hatte die Enddreißigerin versucht, das Laster aufzugeben. Sie
wußte um die schlimmen Folgen wie Lungenkrebs und Gefäßkrankheit. Aber der
Nikotin-Teufel hatte Elsa noch nicht ganz aus seiner Herrschaft entlassen.
Ab morgen, dachte Elsa, rauche ich nur
noch eine halbe Zigarre. Bis Weihnachten schleiche ich mich raus aus der Sucht.
Hm, ja, natürlich schaffe ich das.
Sie schmauchte genüßlich, nippte an der
Milch, ging in den blauen Salon hinüber und sagte laut: „Verdammter Saukerl,
elender!“
Es war niemand da, der das auf sich
beziehen konnte — nicht mal ein Hund, Kater oder Kanarienvogel.
Aber Elsa wußte, wen sie meinte.
Wenn der Robert Winter heißt, dachte
sie, bin ich die First Lady von Krambambulistan, Mistkerl, durchtriebener!
Seit dem merkwürdigen Kontaktgespräch
vorhin wollte sie die eine, ihr bekannte Angabe überprüfen.
Wegen des
Waschmaschinen-Betriebsunfalls kam Elsa erst jetzt dazu.
Was hatte der Kerl behauptet? Unter
ihrer — Elsas — Rufnummer, lediglich mit einer Fünf am Ende, wäre die
Intercity-Bekannte namens Marianne zu erreichen.
„Wollen wir doch mal sehen“, meinte die
Ex-Inspektorin mit ihrer zigarrenrauhen Stimme, die gar nicht nach Abendläuten
klang.
Sie griff zum Telefon, schob eine
Handvoll langer, brauner Haare hinters Ohr und legte den Hörer dort an.
„...und zum Schluß eine Fünf“,
brummelte sie und wählte.
Nach dem ersten Läuten wurde abgehoben.
„Jenseits“, hallte eine dumpfe
Männerstimme.
„Clarina Wenig“, sagte Elsa. „Könnte
ich Marianne mal sprechen?“
„Wen?“
„Marianne. Frau Marianne.“
„Meine Frau heißt Rosamunde.“
„Aber unter Ihrer Telefonnummer gibt es
doch eine Frau Marianne. Den Nachnamen weiß ich leider nicht.“
„Lassen Sie mich überlegen, Frau
Nichtviel. Ich...“
„Wenig. Mein Name ist Wenig.“
„Verzeihung. Aber überlegen muß ich
trotzdem. Ich muß die Vergangenheit abtasten und einen Blick in die Zukunft
werfen.“
„Wie bitte?“
„Ja, wissen Sie denn nicht, bei wem Sie
hier anrufen? Ich bin Raspudamus Friedemann Jenseits, der weltberühmte
Hellseher und Zukunftsdeuter. Der Mann, dessen Horoskope weltweit die höchste
Trefferquote aufweisen. Sind Sie an einem persönlichen Horoskop interessiert?
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