Schwarze Piste
übereinandergeschlagen, die Hände auf dem Oberschenkel gefaltet. Sie lächelte Wallner mit müden, hellblauen Augen an, als er sich kurz vorstellte und an die andere Seite des Tisches setzte. Mike und Janette nahmen links und rechts neben ihrem Chef Platz. Wallner las in einer Akte, schwieg, blätterte um, las weiter. Schließlich sah er die Frau an. »Ich hoffe, Sie hatten nicht allzu viele Unannehmlichkeiten. Aber Ihre Anwesenheit hier war leider erforderlich. Sie heißen Josepha Leberecht?«, eröffnete Wallner die Befragung.
Die Frau schwieg.
»Drei Menschen wurden ermordet. Es besteht der Verdacht, dass Sie damit zu tun haben.«
»Klingt ein bisschen unbestimmt. Welcher Art soll meine Beteiligung am Tod dieser Menschen sein?«
»Dazu kommen wir gleich. Sie können natürlich einen Anwalt zuziehen.«
»Danke. Ich habe Jura studiert.«
»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber selbst gestandene Strafverteidiger lassen sich von Kollegen vertreten.«
»Ich komme zurecht.« Leberecht hatte die Hände jetzt vor der Brust verschränkt.
»Wie Sie meinen.« Wallner sah wieder in seine Akte. »Wollen Sie einen Kaffee?«
»Ist das der, den man hier im ganzen Haus riecht?«
»Also nicht. Sie heißen Josepha Leberecht. Geboren wann?«
Leberecht schwieg gelangweilt.
»Wir müssen das machen. Seien Sie ein bisschen kooperativ. Dann kommen wir schneller zu den interessanten Fragen.«
»Zehnter April 1964 .«
Die Erhebung der persönlichen Daten verlief von da an ohne weiteren Widerstand.
»Sie sind Juristin?«
»Das war ich mal. Ich bin freie Schriftstellerin.«
»Bestreiten Sie davon Ihren Lebensunterhalt?«
»Was geht Sie das an, wovon ich lebe?«
»Sie haben Ihre Freunde um Geld erpresst, wenn wir die Fakten richtig deuten. Hat sich Ihre finanzielle Lage inzwischen verbessert?«
»Ich falle jedenfalls nicht dem Staat zur Last.«
Wallner entnahm der Akte drei Papiere, die jeweils mit Porträtfotos versehen waren. »Kennen Sie diese Personen?«
»Ja.«
»Haben Sie diese Personen getötet?«
Leberecht spielte mit zwei Fingern an ihrer Unterlippe und ließ den Blick mit halb geschlossenen Augen über den Tisch wandern. »Wie war die Frage?«
»Ob Sie diese drei Menschen getötet haben.«
»Ich möchte die Frage zunächst offenlassen.«
»Das heißt, Sie bestreiten nicht, dass Sie die Leute umgebracht haben?« Mike hatte Mühe, seine Abneigung gegen Leberecht im Zaum zu halten.
»Sie wissen doch, was es heißt, eine Frage offenzulassen.«
Wallner entnahm der Akte ein Foto und schob es über den Tisch. Der Anblick des Fotos veränderte Leberechts Gesichtsausdruck nur geringfügig, doch meinte Wallner, eine Andeutung von Ekel zu erkennen. Oder war es Angst? »Kennen Sie das Foto?«
»Nein.«
»Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte oder was das Foto zu bedeuten hat?«
»Nein.«
»Das Foto wurde bei allen drei Leichen gefunden. Der Mörder wollte damit etwas sagen. Irgendeine Vermutung?«
»Ich sagte schon, dass ich keine Ahnung habe, was das Foto bedeutet oder wo es herstammt. Wären Sie so freundlich, Ihre Fragen nicht mehrfach zu stellen? Das kann sonst ewig dauern.«
»Bei allem Respekt – wir müssen ins Kalkül ziehen, dass Sie lügen und es sich anders überlegen könnten. Wir hatten ein wenig gehofft, dieses Foto und Ihre Erpressung hätten etwas miteinander zu tun. Wäre doch naheliegend.«
»Sie haben nicht die leiseste Ahnung, um was es geht, oder?«
»Es sind drei Menschen tot, die Sie erpresst haben. Drei ehemalige Freunde, zu denen Sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Und es gibt dieses Foto, von dem angeblich niemand weiß, was es zu bedeuten hat. Frau Leberecht, wir erwarten von Ihnen eine in sich stimmige Geschichte, wie das alles zusammenhängt.«
Leberecht wischte mit einer Hand über den Tisch, als wollte sie Krümel von der Platte wischen. »Ich weiß nicht so recht, ob ich sie Ihnen erzählen will.«
»Sie haben also eine Geschichte für uns?«
»Jeder hat mindestens eine Geschichte. Was weiß ich, welche meiner vielen Geschichten Sie hören wollen.«
»Ich glaube schon, dass Sie das wissen.« Wallner rührte in seinem Kaffee. »Der Kaffee ist nicht so schlecht, wie er riecht. Vielleicht doch eine Tasse?«
»Gut. Bringen Sie mir eine. Ohne Milch, vier Stück Zucker.«
Niemand rührte sich. »Ich bin hier der Chef«, sagte Wallner zu Janette und Mike. »Ich hol bestimmt keinen Kaffee.«
»Ist okay.« Mike stand auf. »Ich will ja nicht, dass wir so
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