Schwarze Piste
Kreuthners Mund wurde unangenehm trocken.
»Weißt du, das hat mit Logik nichts zu tun. Das liegt bei euch einfach in den Genen. Ihr müsst einbrechen und Sachen stehlen und den Leuten auf die Eier gehen. Ihr könnt’s gar net anders.« Er nahm Kreuthners Nase zwischen seine Finger und schüttelte sie lachend hin und her. »Darfst du auch. Geh den Leuten auf die Eier, wie du willst. Ist uns egal. Wir müssen lediglich sicherstellen, dass du unserem Auftraggeber nicht mehr auf die Eier gehst. Is nix Persönliches. Des is unser Job.« Er sah mit gespielter Unsicherheit zu seinem Kollegen. Der bestätigte mit schlecht gespieltem Bedauern, dass das leider ihr Job sei, um dann zu grinsen, dass Kreuthner sich wünschte, er wäre heute gar nicht aufgestanden.
»He, Freunde, wir können uns doch irgendwie einigen. Ihr müssts des net machen. Ich … ich geb euch Geld.«
Der Chef holte Kreuthners Brieftasche aus dessen Jacke und inspizierte das Fach für die Scheine. Es befanden sich fünfzehn Euro darin. Ein Zehner und ein Fünfer. Er hielt die beiden jämmerlichen Banknoten Kreuthner vor die Nase. »Du willst uns doch nicht bestechen? Das kann nicht dein Ernst sein. Mir sind zwei Ehrenmänner. Des is ja eine Beleidigung.« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Der hat uns bestechen wollen.« Der Kollege rollte entsetzt mit den Augen, während sein Chef die Scheine wieder in der Brieftasche verstaute, die er wiederum sorgfältig in Kreuthners Jacke steckte. »Das ist genau das, was ich meine: Das Unehrliche, das steckt in euch drin. Es ist unglaublich hart, euch das auszutreiben. Deswegen solltest du uns dankbar sein, dass mir dir jetzt ein bissl helfen werden, dass du den rechten Weg findest.« Der Mann begann, seine Jacke auszuziehen. Offenbar würde ihm warm werden bei dem, was er vorhatte. Sein Kollege tat es ihm gleich und krempelte auch seine Ärmel hoch.
»He, Jungs! Macht’s kein Scheiß. Was soll denn des? Mir können doch reden. Des is doch a Schmarrn. Sehn mir’s doch amal ganz nüchtern: Ich hab nix gegen euch, ihr habt’s nix gegen mich. Wozu mach ma uns den Stress? Da muss man sich doch einigen können. Ich … ich hätt zum Beispiel noch a ganzes Fassl Kirschwasser. Selbstgebrannt. So was wird heut gar nimmer g’macht.«
Die beiden Sicherheitsleute ließen sich bei ihren Vorbereitungen nicht im mindesten von Kreuthners Redeschwall ablenken. Als die Jacken und die Ärmel hochgekrempelt waren, zogen beide gleichzeitig die schwarzen Gummiknüppel, die sie an der Seite trugen.
»Herrgott! Was is denn los mit euch?! Fuchzig Liter Kirschwasser! Achtundvierzig Prozent! Des san Räusche für a ganzes Jahr.«
»Am besten trinkst a Flasch’n davon, wenn mir hier fertig sind«, sagte der Sicherheitsmann und ließ den Gummiknüppel in seine linke Hand klatschen.
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56
D ie morgendliche Sonne hatte sich verzogen. Auf dem Parkplatz vor dem Bürogebäude fiel Schnee an diesem Mittag im Dezember. Es herrschte Dämmerlicht, und in den meisten Büros der Miesbacher Kriminalpolizei brannte Licht. Der Frau, die vor dem Gebäude aus dem Streifenwagen stieg, hatte man die Hände mit weißen Plastikhandschellen auf den Rücken gefesselt. Sie trug einen kurzen Wintermantel und Jeans. Ihre Haare waren von einem satten Rotbraun, ihrem Alter nach zu urteilen, waren sie gefärbt. Sie hatte ein schönes Gesicht, in dem Falten um Augen und Mund Zeugnis von einem bewegten und wohl nicht immer glücklichen Leben ablegten. Sie mochte an die fünfzig sein. Zwei uniformierte Beamte führten sie ins Gebäude, zuerst in eine Sicherheitsschleuse, dann, nachdem sich die Tür zum Treppenhaus geöffnet hatte, in den ersten Stock hinauf.
Ein uniformierter Beamter meldete Wallner, dass die Verdächtige im Vernehmungsraum sei. Wallner sagte, er sei in zwei Minuten dort, und sah nach draußen. An der unteren Kante der Fensterscheibe hatte sich ein dünnes Schneeband abgelagert, vereinzelte Flocken stoben vorbei, blieben an der Scheibe kleben und schmolzen zu Wasser. Der Wind machte Wallner Sorge. Auf dem Weg zum Vernehmungsraum gab es dieses Fenster, das immer auf Kippe stand. Bei Wind zog es mörderisch durch den Gang. Wallner entschied sich für seine Daunenjacke. Nicht, dass ihm die Meinung seiner Kollegen egal war, auch nicht, dass man sich darüber wieder das Maul zerreißen würde hinter seinem Rücken. Aber er war verdammt noch mal der Chef der Kripo Miesbach und zog an, was er für richtig hielt.
Die Frau hatte die Beine
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