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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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ich in den Semesterferien arbeiten musste, um mir den Rest dazuzuverdienen. Ich glaube, das Geld hat sie durch den Kinderfreibetrag wieder reingeholt. Trotzdem hat sie es mir bei jeder Gelegenheit aufs Brot geschmiert, dass ich ihr auf der Tasche liege. Ich hab’s gehasst. Ganz ehrlich, es hat mich angekotzt. So angekotzt, dass mir Prostitution durchaus als Alternative erschien. Nun ja, so was habe ich dann ja auch gemacht. Nur besser. Eines Tages, ich sitze gerade in einem Café in Würzburg – da habe ich studiert –, kommt ein junger Typ an meinen Tisch und fragt, ob er mit mir reden kann. Aus irgendeinem Grund hab ich ja gesagt, und er setzt sich also zu mir. Er sagt, er hätte mich schon ein bisschen beobachtet und sich umgehört und durchaus Gutes dabei vernommen. Ich sei wohl irgendwie tough und gut in Jura und sozial engagiert. Das gefiel ihm. Und ob ich Lust auf ein festes Einkommen hätte. Ich müsste dafür eigentlich nichts anderes tun, als weiterzustudieren. Allerdings in München. Und ich müsste dort in die linke Szene eintauchen und Leute kennenlernen und regelmäßig Berichte schreiben. Ich dachte erst, ich hör nicht recht. Der wollte mich als Spitzel anwerben. Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich das nicht laut rausschreien sollte in dem Café. Das wäre interessant geworden. Das war nämlich ein beliebter Treff für Leute von den MGs und ähnlichem Gelichter.«
    »Muss ich MGs kennen?«, fragte Mike.
    »Marxistische Gruppen. Das waren so Polit-Clowns, die haben sich für unglaublich radikal gehalten. Letztlich egal. Ich hab ja nichts rausgeschrien. Der Kerl hat mir dann einen Vortrag gehalten über den Schutz des Rechtsstaats vor Terroristen und dass mein Job Leben retten könnte und so weiter. Hat mich alles nicht interessiert. Aber dann hat er mir einen Zettel rübergeschoben. Und da stand ein D-Mark-Betrag drauf. Und ich frage: Ist das meine Jahresgage? Und er sagt: Wir rechnen monatlich ab. Schlafen Sie mal drüber. Dann war er weg. Am nächsten Tag hab ich die Sache fix gemacht und meiner Mutter gesagt, dass ich nach München gehe. Meine Mutter sagte: ›München kommt überhaupt nicht in Frage, da wirst du nur vom Studium abgelenkt.‹ Ich hab meiner Mutter gesagt, dass sie mich am Arsch lecken kann. Und das war, wenn ich mich recht entsinne, der letzte Satz, den meine Mutter von mir gehört hat. Muss 1985 gewesen sein. Wie dem auch sei, ich kürze jetzt ein bisschen ab. In München hab ich mich also ab fünfundachtzig in die linke Szene reingeschlichen.«
    »Mich würde noch interessieren, was auf diesem Zettel stand. Das Monatsgehalt«, unterbrach sie Mike. »Muss auch nicht ins Protokoll.«
    »Das unterliegt der Geheimhaltungsverpflichtung, die ich damals unterschrieben habe, und dürfte für Ihre Zwecke kaum von Belang sein. Ich kann Ihnen aber verraten: Es war
richtig
Geld.«
    »Und was mussten Sie dafür machen?«, brachte Wallner die Vernehmung wieder in dienstliche Bahnen.
    »Ich bin in München auf politische Versammlungen gegangen, hab mich im AStA engagiert, hab Aktionen und Demos mitgemacht und nach und nach Leute kennengelernt. Weil, da kommen immer die üblichen Verdächtigen hin, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ist das nicht schwierig?«, fragte Janette. »Ich meine, politische Überzeugungen so intensiv zu vertreten, wenn man gar nicht dahintersteht?«
    »Ich war ja links in meinem Verständnis. Damit hatte ich kein Problem. Meine Eltern waren schon links, meine Clique in der Schule. Alle links. Ich musste nur von einer links denkenden zu einer links engagierten Frau mutieren. Das ist nicht so schwer, wenn man mit lauter anderen links Engagierten zusammen ist.«
    »Okay. Sie waren links. Aber dann«, Janette hatte offensichtlich Probleme mit Leberechts Geisteshaltung, »dann haben Sie aber die Leute verraten, auf deren Seite Sie standen?«
    »Mit der Zeit habe ich mir abgewöhnt, in bürgerlichen Moralkategorien zu denken. Kennen Sie Max Stirner?«
    »Der Name kommt mir bekannt vor.«
    »Reden Sie keinen Unsinn. Sie haben den Namen nie gehört. Deutscher Philosoph. Erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Hat ziemlich radikale Ansichten vertreten, die heute nicht mal mehr als die gequirlten Exkremente eines Frühpubertierenden durchgehen würden und daher zu Recht vergessen sind. Hat mir aber damals geholfen. Er hat unter anderem gesagt: Ich bin nur zu dem nicht berechtigt, was ich nicht mit freiem Mute tue, das heißt, wozu ich selbst mich nicht

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