Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
fuhr in großer Entfernung in der Flussmitte, das andere raste auf das Ufer bei Ly zu und drosselte erst kurz vor dem Land sein Tempo.
»Sie kommen«, rief Ly in sein Funkgerät. »Aber wartet noch.« Solange das Boot in seiner Nähe war, konnte Hai Au ihn hier nicht abholen.
»Okay«, war die verzerrte Antwort.
Ly rutschte einige Meter die Böschung hinunter und suchte nach einer neuen Deckung. Das Boot lag jetzt direkt vor ihm. Seine Scheinwerfer waren erloschen, und nur noch der grünliche Schein der Instrumente schimmerte von der Steuerkonsole. In dem Moment, in dem der Regen aussetzte, erstarb auch das Stampfen des Motors. Die plötzliche Stille dröhnte Ly in den Ohren. Der Steuermann sprang an Land und vertäute das Boot.
Er war ein kleiner, bulliger Typ, und Ly erkannte ihn sofort wieder. Diesmal trug er ein Polohemd über seinem Tattoo.
Ohne lange zu zögern, sprang Ly nach vorn, trat ihm in den Magen und setzte mit einem gezielten Schlag auf den Solarplexus nach. Der Mann strauchelte und sacktein sich zusammen. Ly sah ihn verblüfft an. Er hatte mehr Widerstand erwartet. Er tastete den am Boden Liegenden nach Waffen ab, zerrte seine Arme hinter den Rücken und legte ihm Handschellen an.
»Los, kommt«, rief Ly ins Funkgerät. Wenn es eine Antwort gab, ging sie im Knistern der Verbindung unter. In ein und derselben Sekunde blitzte und krachte es. Den Schuss hätte er fast überhört. Ein zweiter Schuss folgte. Sie kamen aus Richtung der Sampans. Hinter der Flottille lag jetzt das Schnellboot, das Ly eben noch auf der Flussmitte gesehen hatte. Mehrere gebückte Gestalten bewegten sich über eines der Sampandecks.
»Wo bleibt ihr?«, brüllte Ly ins Funkgerät. Ein weiterer Schuss fiel. Noch einmal schrie Ly ins Funkgerät. Nichts, das Gerät war tot. Ly fluchte, sprang auf das Boot, das am Ufer lag, und startete den Motor. Er hatte noch nie ein Boot gesteuert und war überrascht, wie einfach es war. Nach kaum zweihundert Metern jedoch spürte er einen harten Stoß unter dem Rumpf. Er war irgendwo aufgefahren, nichts ging mehr. Er musste schwimmen.
Wegen des heftigen Regens war die Strömung extrem stark, und die nasse Kleidung zerrte an ihm. Er kämpfte gegen den Sog an und kam nur langsam vorwärts. Aber er schaffte es bis zu einem der Sampans und hielt sich einen Moment am Ankertau fest, um durchzuatmen. Dann zog er sich an Deck und blieb gekrümmt stehen. Er hustete flach. Er hatte Wasser geschluckt. Als er das schwere Atmen hinter sich hörte, war es bereits zu spät. Der Kolben einer Pistole traf ihn im Nacken. Er fiel hart auf die Knie. Blut schoss ihm aus der Nase. Ein zweiter Hieb streckte ihn nieder.
Breitbeinig stand Xuan über ihm. Seine Haare klebten triefend in seiner Stirn.
»Du gibst auch nie auf, was?«
Diesen Satz hörte Ly in letzter Zeit andauernd. »Du hättest mich erschießen müssen«, keuchte er.
Xuan lachte. »Einen Kommissar knallt man nicht so einfach ab. Dann wäre dieser verrostete Polizeiapparat vielleicht noch in die Gänge gekommen. Und das wollten wir doch nicht.«
Röchelnd robbte Ly ein Stück von Xuan weg, tastete nach der Waffe an seinem Hosenbund, doch da war keine Waffe. Die Strömung musste sie ihm entrissen haben. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Xuans Männer sich auf den anderen Sampans verteilt hatten. Er erkannte auch Phan Duy Huy, der an Deck seines Sampans stand und zu ihnen herüberschaute. Ohne Zögern hob Xuan die Pistole und schoss auf Phan Duy Huy, der sofort zusammenbrach. Ly kämpfte gegen seine wachsende Panik an. Hoffentlich hatte Ngoc den Schuss gehört und würde endlich kommen. Ly musste Zeit herausschinden.
»Alles nur wegen des beschissenen Geldes?«, fragte Ly.
»Es geht nie allein ums Geld. Es geht um Respekt. Schau dich um. Die Gangster, die wir verfolgen, fahren dicke Autos, kaufen sich Villen, Schmuck, fliegen um die Welt. Die lachen sich doch tot über uns. Du bist so dumm, Ly, so dumm.« Xuan beugte sich vor, packte ihn am Kragen und zog ihn so eng an sich heran, dass sein Gesicht vor Lys Augen verschwamm und sein Atem ihm ins Gesicht schlug. »Ich will Respekt. Wer hat Respekt vor dir? Sag es mir! Nicht mal ein Auto hast du. Nur eine antiquierteVespa und eine Bruchbude von Wohnung. Du bist ein Nichts.« Xuan stieß Ly von sich.
»Und du meinst, vor dir hat irgendwer Respekt?«
Ein Tritt in den Magen raubte Ly fast die Besinnung.
»Man braucht Geld, sicher. Aber vor allem muss man Angst verbreiten. Dann respektieren sie
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