Schwarze Schmetterlinge
und kicherte wie ein Schulmädchen.
»Noch nicht. Aber das können wir doch ändern.«
»Willst du das?« Sie lachte ein wunderbar klirrendes Lachen, und Arvidsson fühlte sich schwindelig und benebelt, froh und gerührt zugleich.
»Deshalb bin ich schließlich hergekommen. Ist das dein Auto?«
»Ich hab es mir geliehen. Wohin willst du fahren?«
»Am besten zu dir, oder?« Als sie da so warm und lebendig vor ihm stand, kam ihm dieser Vorschlag so natürlich vor. Kann man seine Schwester auf den ersten Blick lieben? Sie lächelte immer noch, während sie die Beifahrertür öffnete. Eine Geste – willkommen in meinem Leben. Es war ein großer Moment. Sie ging zur Fahrerseite hinüber, und er wollte sich gerade ins Auto setzen.
»Per Arvidsson?« Eine andere Stimme von hinten. Er drehte sich langsam um und blickte in ein mageres und sehr erwartungsvolles Gesicht. »Pernilla Gunnarsson.« Eine fremde Frau drückte ihm fest die Hand. »Du bist doch Per, oder?« Sie legte ihre Hände auf seine Schultern und betrachtete ihn ungeniert von oben bis unten.
»Ja.« Etwas einfältig starrte Per seine neugefundene Schwester an, die ihn mittlerweile losgelassen hatte und einen Schritt zurückgetreten war. Sie war schmal, hatte einen etwas krummen Rücken und war fast genauso groß wie er selbst. Das rote Haar war sehr kurz geschnitten. In ihrem viel zu großen grau gestreiften Kostüm sah sie aus wie eine Schülerin bei der Abschlussprüfung, die sich Kleider von einer etwas umfangreicheren Verwandten geliehen hatte.
»Pernilla?«
»Ich habe am Südbahnhof auf dich gewartet. Und dann habe ich mir gedacht, dass du vielleicht nicht gehört hast, was ich gesagt habe. Mein Auto steht da hinten.« Sie zeigte auf einen Van mit aufgemaltem Motiv, der unter einer Straßenlaterne geparkt war. »Komm doch mit zu mir nach Hause, dann können wir eine Kleinigkeit essen.« Arvidsson nickte abwesend, während er seiner Sun Maid, der Königin der blauen Trauben, nachschaute, die mit dem Blumenstrauß winkte und sich ins Auto setzte. Wenig später war sie verschwunden. Eine Fata Morgana. Wie heißt du? Die Frage, die nie gestellt wurde. Im Nachhinein kam ihm das Treffen sehr unwirklich vor.
4
»Kanntest du die Frau am Bahnhof?«, fragte Pernilla im Auto.
»Nein.«
»Sehr charmant, jemandem rote Rosen zu schenken, den man gar nicht kennt. Ich fand, es sah total rührend aus. Fast wie in einem Reklamefilm. Unerwarteter Besuch, du weißt schon.«
»Ich wusste ja nicht, wie du aussiehst. Das war wie ein Blind Date. Die Rosen waren für dich, ich habe mich eben geirrt. Sie stand da und wartete auf jemand anders. Ich werde dir wohl einen neuen Strauß kaufen müssen.«
»Sag nicht so was. Der gute alte Freud würde sicher meinen, dass du nur deinen unterbewussten Trieben gefolgt bist. Ich würde nicht Nein sagen, wenn mir ein unbekannter Mann überraschend Rosen schenken würde. Ich wäre glücklich und würde mir einreden, dass ich sie verdiene.«
Arvidsson spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Was hatte er eigentlich zu der Erscheinung gesagt? Wohin willst du fahren?, hatte sie gefragt. Am besten zu dir. Wie hatte er nur etwas so Dummes sagen können? Sie musste ihn für aufdringlich halten. Wenn er nur das Band zurückspulen und alles löschen könnte. Wie unnötig und idiotisch. Wenn er nur einen kleinen Moment länger gewartet hätte, dann müsste er sich jetzt nicht in Grund und Boden schämen. So ging er noch eine Weile mit sich ins Gericht, bis Pernillas Stimme ihn aus den Gedanken riss.
»Habe ich dich überhaupt schon willkommen geheißen?« Ihre Hand strich über seinen Arm. »Ich habe immer gewusst, dass es dich gibt. Habe dich vermisst und mir viele Fragen gestellt. Jetzt hast du eine große Schwester. Ich werde mich um dich kümmern. Du und ich gegen den Rest der Welt. Ich kann kaum glauben, dass du wirklich hier bist.«
Sie sprachen eine Weile über das Leben. Die großen Ereignisse, die nur die äußere Schale für die wesentlichen Erinnerungen bilden, wurden schnell abgehandelt. Pernilla war es, die zuerst die Sprache auf ihre gemeinsame Kindheit brachte.
»Weißt du, ich weiß noch so gut, wie die vom Jugendamt kamen und uns holten. Wir waren bei Tante Aina, einer Nachbarin, die auf der anderen Seite des Hofs wohnte. Die hatte so wenig Haar, dass sie es mit einer einzigen Haarnadel im Nacken feststecken konnte, und außerdem roch sie nach Schweiß und ranzigem Fett. Sie hatte eine altersschwache Katze, die unter
Weitere Kostenlose Bücher