Schwarze Schmetterlinge
schlecht wird, meine ich.«
Arvidsson stand wortlos auf, setzte sich auf den gegenüberliegenden Sitz und starrte wieder in die Scheibe. Er konnte sehen, dass sie ihn unausgesetzt beobachtete. Er war irritiert. Wie zum Teufel sollte er sich auf das Treffen mit Pernilla vorbereiten, wenn diese Person ihn die ganze Zeit anstarrte?
»Wohin fahren Sie denn?«, fragte sie.
»Nach Örebro.«
»Um Ihre Liebste zu treffen?«
»Warum glauben Sie das?« Er bereute sofort, ihr eine Frage gestellt zu haben.
»Sie haben Blumen dabei.«
»Ich muss auf eine Beerdigung«, entfuhr es ihm. Das war aus der Luft gegriffen, eigentlich gar keine schlechte Idee. Wenn die Frau einigermaßen normal funktionierte, dann müsste sie ihn jetzt in Ruhe lassen. Arvidsson versuchte, seiner Miene all den Ernst zu verleihen, den der traurige Anlass erforderte, und wandte sich in der vergeblichen Hoffnung auf etwas Privatleben wieder zum Fenster.
»Ich war vorige Woche auch auf einer Beerdigung. Mamas Tante. Hatte eine Gehirnblutung und ist dann Knall auf Fall gestorben, beim Fensterputzen. Sie ist direkt auf ein geparktes Auto gefallen. Einen Fiat.« Die Blaubeermütze wartete auf eine mitfühlende Reaktion von seiner Seite, und als die auf sich warten ließ, fuhr sie unbeirrt fort. »Ich glaube, es ist gut, wenn es auf Beerdigungen nicht zu steif zugeht. Der Pfarrer darf ruhig ein wenig scherzen, finde ich. So traurig ist das Ganze doch gar nicht. Man verlässt die Erde, wenn man seinen Auftrag erfüllt hat, um woanders wiedergeboren zu werden, wo man einen anderen Auftrag zu erfüllen hat. Ich habe übrigens gerade einen Kurs über mediale Entwicklung gemacht.« Sie fuhr mit der Hand über ihre lange Kette aus helllila Steinen und ließ ihren Blick ein wenig in die Ferne schweifen.
In der Fensterscheibe konnte er sehen, wie sie anfing, ihre Ohrläppchen zu massieren, sodass ihre Ohrringe klirrten. Er sagte auch jetzt nichts. Er wollte nicht in ein Gespräch verwickelt werden. Ein ungezügelter Wutausbruch würde nach Ansicht dieser Frau sicher zu einem schlechten Karma in einem zukünftigen Leben führen.
»Das hier ist gut gegen Übelkeit. Versuchen Sie es mal, es hilft wirklich.« Die Blaubeermütze ging dazu über, direkt vor seiner Nase ihre Handgelenke zu massieren. »Was für ein Sternzeichen sind Sie? Nein, lassen Sie mich raten. Ich glaube, Sie sind ein komplizierter Mensch ohne deutliches astrologisches Profil. Sie sind Jungfrau, oder? Das spüre ich hier«, sagte sie und legte die Hand auf ihre Brust. »Ich glaube, Sie sind Jungfrau, aber Ihr Mond steht im Löwen. Irgendetwas sagt mir, dass Sie ein sehr ehrlicher Mensch sind. Es fällt Ihnen schwer zu lügen, Sie müssen einfach die Wahrheit sagen. Bin ich auf dem richtigen Weg? Wir sind auf der Erde, um uns weiterzuentwickeln. Ich spüre aber, dass unsere Energien momentan nicht richtig korrespondieren. Sie haben eine Menge negativer Energie gesammelt. Ich könnte Ihnen helfen, sich zu entspannen. Wenn Sie sich mal so hinsetzen und die Finger zusammenführen und aneinanderdrücken …«
»Ich hätte gern meine Ruhe. Ich muss mich auf ein wichtiges Treffen vorbereiten.«
»Das habe ich doch gleich gemerkt! Es fällt Ihnen schwer, im Hier und Jetzt zu leben. Das liegt vielleicht an früheren Bindungen mit negativem Karma. Sie müssen wissen, es gibt keinen Zufall. Alles ist vorherbestimmt. Es sollte so sein, dass wir uns heute hier im Zug treffen. Man trifft auf jemanden, und das Leben erhält eine andere Wendung. Vor ein paar Monaten bin ich einem Medium begegnet. Und seitdem hat sich mein Leben komplett verändert. Wissen Sie, wie schwer es ist, einen Job zu kriegen? Man hangelt sich so durch mit Putzen und Aushilfsjobs in der Altenpflege, man geht eine Weile stempeln, macht einen Kurs in Selbstfindung, geht weiter stempeln und dann wieder putzen. Aber jetzt ist alles anders.« Die Blaubeermütze sah ihn mit dem erwartungsvollen Blick eines Kindes an, aber die Reaktion blieb aus.
»Ich habe mir Tarotkarten gekauft. Erst mal habe ich ein paar Abende darauf verwandt, die Bedeutung der Karten zu lernen. In der Schachtel war so ein Blatt, auf dem jede Karte erklärt wurde. Dann habe ich mich bei so einem Telefonservice angemeldet: Kartenlegen am Telefon. Wissen Sie, so eine kostenpflichtige Nummer. Ich arbeite immer vier Stunden und kann ein Fünftel von dem Geld, das der Kunde bezahlt, behalten. Was soll man auch machen, wenn man arbeitslos ist? Man muss schließlich
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