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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
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man uns schon ganz dicht auf der Spur!«
»Vielleicht, vielleicht, vielleicht!« Taleb drückte gelangweilt seine
Zigarette aus. »Deshalb können wir nicht alle wie aufgescheuchte
Hühner herumrennen. Und was die Tote betrifft, dürfen Sie sich
bei Marco bedanken. Wenn er sich nicht seinen unnormalen
Vorlieben hingegeben hätte…«
    »Nicht in diesem Ton, Taleb!« protestierte Marco, aber seine
Stimme klang dünn. Taleb musterte ihn kalt. »Nicht in diesem Ton,
Marco! Verstanden? Ich führe hier die Regie, und ich hoffe, das ist
jedem klar. Was Sie betrifft, so sind Sie der größte Idiot, mit dem
ich je meine Zeit vertun mußte. In einer Situation wie unserer die
Dinge auch noch durch eine Tote komplizieren zu müssen –
dazu gehört schon ein bemerkenswerter Mangel an Verstand. Es
ist mir unverständlich, wie ein erwachsener Mann so etwas tun
kann!«
    »Ich habe es ja nicht gewollt. Wirklich nicht. Sie sollte nicht
sterben. Es war ein Unfall!«
    »Sagen Sie, Sie Anfänger…«, Talebs Stimme klang noch immer
sehr höflich, »haben Sie nie davon gehört, daß das Verabreichen
von Betäubungsmitteln immer mit gewissen Risiken verbunden
ist? Haben Sie nie davon gehört, daß es Menschen gibt, die auf
bestimmte Medikamente allergisch reagieren oder sogar schockhaft?
Hat Ihnen Ihr Vater, der große Pharmaspezialist, das nie
erzählt, oder hat er es einfach nicht in Ihren Kopf hineingebracht?
« Taleb sprach jetzt mit einer so freundlichen Besorgnis,
als habe er ein Kind oder einen Geistesschwachen vor sich.
Marco ballte unmerklich die Fäuste. Dann fuhr Taleb in verändertem, scharfem Ton fort: »Ihre sexuellen Vorlieben sind Ihre
Sache, Marco, die gehen mich nichts an. Ob Sie Ihre Mädchen in
einen Tief schlaf versetzen oder sie gleich einschläfern, bleibt
ganz allein Ihnen überlassen – solange es daheim in Ihrer stillen
Kammer geschieht und mir keine Schwierigkeiten macht. Sind
wir uns da einig?« Marco schwieg. Taleb trat näher an ihn heran,
seine Miene war drohend. »Ob wir uns da einig sind?« wiederholte
er leise. Marco schluckte. »Ja.«
    »Lauter! Ich kann Sie nicht verstehen!«
    »Ja«, sagte Marco. Dann drehte er sich um und verließ den
Raum.
    Demütigungen brannten tief in ihm, denn wenn er zurückblickte,
schien es ihm, als sei sein ganzes Leben eine Kette von Demütigungen
gewesen. Immer wieder war er auf Frauen gestoßen,
deren anfängliche Zuneigung sich schließlich in Verachtung
gewandelt hatte, wenn sie bemerkten, wie schwach und unsicher
er sich in Wahrheit fühlte. Er erinnerte sich, wie es angefangen
hatte: Er war noch ein Kind gewesen, als seine Mutter starb und
sein Vater begann, jede Woche eine andere Freundin mit nach
Hause zu bringen. Seine Vorliebe für vollbusige Frauen mit roten
Haaren und einer etwas vulgären Ausstrahlung war dabei unverkennbar.
Mit den meisten von ihnen hatte Marco wenig zu tun
gehabt, sich kaum dafür interessiert, wie sie hießen. Dann, als er
zehn war, tauchte Silvana auf; rothaarig, üppig wie ihre Vorgängerinnen,
hinreißend ordinär, aber klug: Sie wußte, wie Marcos
Vater behandelt werden wollte, daß er kein anschmiegsames
Kätzchen suchte, sondern eine Frau, die ihm ebenbürtig war.
Silvana war mehr als ebenbürtig, sie übernahm die Herrschaft im
Haus. Und blieb wesentlich länger als alle ihre Vorgängerinnen.
    Eines Tages sah Marco sie in das Zimmer seines Vaters gehen,
sehr aufreizend gekleidet. Sie trug eine hautenge Hose aus rotem
Leder, dazu ein Top aus schwarzem Satin, hochhackige Schuhe
und um die Taille einen breiten schwarzen Ledergürtel, der mit
blitzenden Nieten besetzt war. Ihr Gang war energisch und
selbstbewußt. Als sie das Zimmer von Marcos Vater betrat, warf
sie den Kopf zurück, und Marco hörte, wie sie mit scharfer
Stimme etwas sagte – im selben Ton, in dem sie zuvor mit den
Hunden im Haus gesprochen hatte.
    Marco hatte seinen Vater nie zuvor schwach gesehen. In den
folgenden Jahren, in denen er im Betrieb wie der letzte Dreck
behandelt wurde, schlechter als jeder andere, während er darauf
wartete, daß der Stuhl des Alten frei wurde und seine lächerliche
Rolle als Thronfolger zu Ende ging, mußte er immer wieder an
jene Szene aus seiner Kindheit zurückdenken, die er durch das
Schlüsselloch beobachtet hatte: Sein Vater bäuchlings zu Füßen
der schönen Silvana, die ihn lachend verhöhnte und seine miserablen
Fähigkeiten als Liebhaber beschrieb. Die Spitzen ihrer

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