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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
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Schicksal mußte jetzt ihr Problem sein.
Landete sie tatsächlich in einem Bordell, krähte wahrscheinlich
kein Hahn mehr nach ihr, und sie gehörte zu den Mädchen, die
alljährlich spurlos verschwanden und nie wieder zurückkehrten.
Unter keinen Umständen durfte es so weit kommen. Sie lag da
und zerbrach sich den Kopf. Auf Talebs Gnade durfte sie nicht
hoffen. Aber vielleicht auf die eines anderen Mannes? Wenn sie
einen von Talebs Kumpanen überzeugen konnte, daß sie seine
ständige Geliebte sein wollte, vielleicht sorgte er dann dafür, daß
sie nicht in ein Bordell gebracht wurde. Natürlich würde sie dann
bei ihm bleiben müssen, konnte aber wahrscheinlich leichter
entkommen.
    Sie lag still und wartete, ob jemand käme. Ein Mann – irgendein
Mann…
    Seitdem sie von der Polizeiwache zurückgekehrt waren, rührten
sich Marions Eltern nicht mehr aus dem Foyer des Hotels. Frau
Rönsch stand immer wieder auf; lief zur Tür und starrte hinaus.
Sie war am Ende ihrer Nerven. Gegen halb sechs betrat ein
ziemlich vergammelt aussehender junger Mann die Halle. Er trug
Shorts, die aus abgeschnittenen Jeans bestanden, ein weißes TShirt
und an den Füßen keine Schuhe. Seine blonden Haare
fielen ihm über die Schultern. Marions Eltern beobachteten ihn
zunächst überhaupt nicht, wurden aber aufmerksam, als er an der
Rezeption mit lauter, klarer Stimme fragte: »Wohnt hier eine
Marion Rönsch?« Herr und Frau Rönsch sprangen beide gleichzeitig
auf. »Wir sind Marions Eltern. Was wissen Sie von unserer
Tochter?«
    Das kam so panisch und überstürzt, daß der junge Mann zunächst
verwirrt von einem zum anderen blickte. Dann sagte er:
»Ich bin ein Freund von Corinna. Wir haben uns im Melian-
Hotel kennengelernt und zusammen, mit anderen Leuten ein
paarmal was unternommen. Wir machen uns ein bißchen Sorgen,
weil Corinna gestern abend fortgegangen und seitdem nicht
wieder aufgetaucht ist. Alles, was wir wissen, ist, daß sie eine
Marion Rönsch, die im Beach Club Hotel wohnt, treffen wollte.
Mehr hat sie uns nicht gesagt.«
    »Unsere Tochter ist ebenfalls verschwunden«, erklärte Herr
Rönsch. »Ob seit gestern abend oder seit heute früh, wissen wir
nicht. Wir waren schon bei der Polizei, aber da konnte man uns
auch nicht weiterhelfen.«
    Frau Rönsch war blaß geworden. »Siehst du? Corinna ist auch
verschwunden! Was sollen wir denn jetzt tun?«
    »Langsam, langsam!« Herr Rönsch hob beschwichtigend die
Hände. »Ich finde es nicht unbedingt beunruhigend, daß auch
Corinna verschwunden ist. Im Gegenteil. Das bestätigt doch
unseren Verdacht, daß sich die beiden Mädchen gemeinsam auf
den Weg gemacht haben. Und das ist besser, als wenn Marion
allein herumirren würde.«
    Der blonde Junge verzog das Gesicht. »Corinna hatte immer so
merkwürdige Ideen«, meinte er. »Nach Torremolinos kam sie in
der festen Absicht, sich hier einen Ölscheich zu angeln.«
    »Was?«
    »Die meisten Mädels kommen deswegen hierher. Haben Sie nie
davon gehört?«
    »Nein. Glauben Sie, daß auch unsere Tochter…?«
    »Ich weiß ja nicht, was die für’n Typ ist. Naja…« Er bemerkte
den entsetzten Ausdruck auf den Gesichtern von Marions Eltern.
»Muß ja alles nicht so schlimm sein«, meinte er beruhigend. »Die
machen sich vielleicht einfach ‘n netten Tag in Marbella. Unkraut
vergeht nicht. Die kommen schon zurück.«
    Jean-Luc jammerte schon wieder. Jetzt, da das Ablegen der
Maria Luna unmittelbar bevorstand, schienen seine Nerven
angespannter als all die Zeit davor.
    »Ich frage mich, warum es nicht endlich losgeht«, murmelte er
wieder und wieder und lief in der Kabine herum wie ein eingesperrtes
Tier.
    Es war die Kabine, in der die tote Corinna lag.
    Marco und Taleb saßen jeder in einer anderen Ecke in einem
Sessel. Marco starrte vor sich hin.
    Taleb betrachtete den nervösen Jean-Luc mit kaum verhohlener
Gereiztheit. »Warum sind Sie bloß nicht in Marseille bei Ihrer
Gönnerin geblieben?« erkundigte er sich mißmutig. »Für diesen
Job hier sind Sie einfach nicht gemacht. Können Sie sich nicht
einen Moment lang ruhig hinsetzen?«
    Jean-Luc blieb stehen. »Ich kapiere nicht, wie ihr so ruhig sein
könnt! Wirklich, ich verstehe es nicht! Wir haben nicht nur das
Heroin an Bord, sondern auch noch ein totes Mädchen. Dazu ein
weiteres Mädchen, das wir gefangen halten. Vielleicht werden
beide schon gesucht! Vielleicht klappert die Polizei schon alle
Schiffe ab. Vielleicht ist

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