Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarze Sonne Afrika

Titel: Schwarze Sonne Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Frobenius
Vom Netzwerk:
dieser weißen Kuh gestritten. Ihr sollt euch nicht streiten. Nun werdeich den Schwanz in die Luft werfen. Wer ihn auffängt, der kann ihn behalten.« Die beiden Kinder stellten sich sprung- und laufbereit hin. Der Vater warf den Schwanz der großen ganz, ganz weißen Kuh in die Luft. Der Schwanz flog hoch und höher. Aus dem Schwanz wurde der Mond und aus den Haaren wurden die Sterne.
    Seitdem sind die Kühe nicht mehr so groß wie früher.
Der entlaufene Junge
    Ein Junge saß neben einem Stampfmörser. Ein Aasgeier (Kadjigo) kam herangeflogen, ließ sich daneben nieder und begann aus dem Abwurf Nahrung zusammenzupicken. Das Kind fragte den Aasgeier: »Warum hast du denn keine Haare auf dem Kopf?« (Meint damit die Federnlosigkeit.) Der Aasgeier sagte: »Weil ich ein armer Mann bin.« Das Kind fragte: »Was ist das: ein armer Mann? Was ist das: arm?« Der Aasgeier sagte: »Warte bis morgen, dann will ich es dir zeigen, was arm ist.« Dann erhob sich der Aasgeier und flog von dannen. Der Junge lief nach Haus. Er sagte nichts von der Unterhaltung.
    Am anderen Morgen saß das Kind wieder neben dem Stampftrog. Nach einiger Zeit kam der Aasgeier angeflogen. Er ließ sich neben dem Jungen nieder und sagte: »Setz dich auf meine Schulter; ich will dich dahin bringen, wo du kennenlernen wirst, was arm ist.« Der Junge setzte sich auf die Schultern des Vogels, und der hob sich hoch und flog mit dem Jungen auf dem Rücken von dannen; er flog weit fort. Über einem Fluß ließ er sich wieder herab. In dem Flusse war eine felsige Insel, die ständig von Wasser umgeben war. Man konnte von der Insel nicht an die Ufer des Flusses gehen. Auf der Insel setzte derAasgeier den Jungen ab. Er sagte: »Nun wirst du erfahren, was ein armer Mann ist.« Dann flog der Aasgeier von dannen.
    Das Kind saß nun allein auf der Felseninsel. Alle Tage kam der Aasgeier über ihm vorbeigeflogen, ließ etwas Scheiße auf des Jungen Kopf herunterfallen und fragte: »Weißt du nun, was arm ist?« Das tat er so sieben Tage lang, einen wie den andern, und der Junge wußte nicht, wie er von der Felseninsel fortkommen sollte.
    Eines Tages stritten sich dicht neben der Felseninsel zwei Krokodile (Upoanjaga, Plural: Iponjaga). Sie stritten sich um eine Frau. Erst merkten sie nicht, daß der Junge ihnen zusah. Der Stärkere nahm dann dem Schwächeren die Frau fort. Dann erblickten die Krokodile den Jungen. Die Krokodile fragten: »Hast du uns gesehen!« Der Junge sagte: »Nein, ich habe nichts gesehen.« Die beiden Krokodile schwammen fort. – Nach einiger Zeit kam aber das schwächere der beiden Krokodile wieder und fragten den Jungen: »Was hast du da über Schulter und Nacken hängen?« Der Junge sagte: »Das sind Bogen und Pfeile.« Das Krokodil fragte: »Was machst du damit?« Der Junge sagte: »Damit kann ich töten.« Das Krokodil fragte: »Kannst du damit auch das andere, stärkere Krokodil töten?« Der Junge sagte: »Gewiß kann ich das!« Das Krokodil sagte: »So tu es morgen, und ich werde es dir reichlich lohnen. Ich werde morgen mit ihm hierherkommen, damit du den Rechtsstreit entscheidest. Dabei werde ich vorangehen. Schieß also auf das zweite Krokodil.« Der Junge sagte: »Ich werde es tun.« Das Krokodil ging.
    Am anderen Tag kamen die beiden Krokodile auf die Felseninsel gekrochen. Das schwächere war voran. Das stärkere kam hinterher. Als sie beide nahe genug waren, legte der Junge einen Pfeil auf den Bogen und schoß nach dem Krokodil. Er schoß es mitten durchs Herz. Das größere Krokodil schlug einmal mit dem Schweif um sich; dann lag es still. Das schwächereKrokodil sah von der Seite aus hin. Es sagte: »Ist der andere tot?« Der Junge sagte: »Geh hin und lege deine Hand darauf: du wirst sehen, es rührt sich nicht.« Das schwächere Krokodil ging hin. Es legte seine Hand auf den Körper des stärkeren Tieres. Das Tier rührte sich nicht. Das stärkere Krokodil war tot.
    Das schwächere Krokodil kam von nun an jeden Tag und brachte dem Jungen frische Nahrung. Drei Jahre lang kam das Krokodil Tag für Tag. Die Haare des Jungen wuchsen. Niemand war da, sie mit einem Messer abzuschneiden. Sie wurden länger und länger. Einmal fragte das Krokodil den Jungen: »Wo bist du denn zu Hause?« Der Junge sagte: »Auf jener Seite dort drüben liegt mein Dorf.« Das Krokodil sagte: »Ich werde dich hinübertragen.« Das Krokodil nahm den Jungen auf den Rücken und schwamm mit ihm über das Wasser. Das Krokodil sagte: »Steig hier ans Land. Du

Weitere Kostenlose Bücher