Schwarze Sonne Afrika
haben.
(»Der eigentliche Fürst wahrt nur seine Souveränität, indem er nie direkt mit dem Volk, sondern immer durch einen Sprecher verkehrt« – Erlebte Erdteile Bd. III, 1925, S. 30.)
Der Hofstaat bzw. die Dolmetschergruppen diente zum anderen dazu, das mündlich Vernommene sich genau erklären zu lassen und in seinem Wahrheitsgehalt überprüfen zu können. »Da mit Belohnungen nicht gekargt wurde, verbreitete sich die Nachricht von dem Geschäft, das mit Märchenerzählen zu machen sei, alsbald im Land und zog allerhand fabelkundiges Volk zusammen. Der Stoff wurde wörtlich nach der Überlieferung wiedergegeben, und wenn der Erzähler irgendwelche neuen, d. h. falschen Worte setzte, so geschah es häufig, daß Umsitzende ihn verbesserten. Das Wörtliche spielte also eine bedeutende Rolle« (Erlebte Erdteile, Bd. IV, 1925, S. 71 f.)
In 195 Reisetagebüchern hat Frobenius notiert, was er studiert und was ihm zugetragen wurde: Haartrachten und Tätowierungen, Schamanismus, Zahlensymbolik, Grabungsfunde. Er war ein Besessener – und ein unermüdlicher Feldforscher. Bezeichnend für ihn, daß er alle seine Tagebücher stets auf der Reise schon ins Reine geschrieben hatte. Die Stoffmassen, die später in die »Sammlung Atlantis« eingingen, waren so bereits gegliedert und gewissermaßen beglaubigt.
Als zum 100. Geburtstag 1973 viel Kritisches zu Frobenius' Kulturtheorien und besonders zur Kulturkreislehre angemerktwurde, stimmten alle Kenner seines Werkes Leopold S. Senghor, Verfechter der Négritude, Janheinz Jahn, Erforscher der schwarzafrikanischen Literatur, Eike Haberland, Direktor des Frobenius-Instituts und andere – doch darin überein: Frobenius gab Afrika ein Stück seiner Identität wieder, mit dem Nachweis hochdifferenzierter, eigenständiger Kulturen; ihm verdanken wir die bisher großartigsten Sammlungen authentischer Oralliteratur.
Das Orakel der Yoruba
System des Ifa-Orakels. Oben die sechzehn Grundfiguren, die Odus. Aus dem geraden oder ungeraden Fall der geworfenen und aufgegriffenen Palmkerne ergibt sich eine Reihe von paarweisen oder einzelnen Strichen, von denen immer vier ein Odu (Hauptkopf) ausmachen. Jeder dieser Köpfe hat seinen Namen,jeder ein symbolisches Zeichen. – Unten links ein Ifabrett mit Verteilung der vier Hauptodus, rechts die Verteilung und Anlage der Hauptodus nach Maßgabe der vorgeschriebenen Himmelsrichtung. Die von Osten nach Westen verlaufende Linie gilt als »Hauptweg« und die von Süden nach Norden gezeichnete als »der zweite Weg«. Nach dem Glauben der Yoruba steht dem Osten der Gott Edschu vor, dem Westen der Gott Schango, dem Süden der Gott Obatalla und dem Norden der Gott Ogun.
Der Babalawo, d. h. »Vater des Geheimnisses« liest aus dem Wurf der Palmkerne oder der Palmkernkette das Orakel. Er benötigt dazu ein Adjelle-Ifa, eine Ifaschale mit geschnitzten Motiven aus dem Alltagsleben; in sie werden die sechzehn Kerne, getränkt mit Nußöl und Maismehl mit Wasser, hineingelegt. Dann benötigt er ein Oqua-Ifa, ein Brett ähnlich einem unserer früheren Brotteller; oben ist ein dominierendes, z. T. tief in das Brett hineinragendes Antlitz geschnitzt, das wie ein Wächter über der Innenfläche thront; auf sie wird Holzmehl gestreut. Drittens benötigt er das Oquelle. Das ist eine Schnur, an der acht halbe Palmkerne befestigt sind und die an den Enden meistens in ein zierliches Perlenornament ausläuft. Derjenige, der das Orakel mit dem Oquelle befragen will, ergreift die Schnur in der Mitte, so daß nach den beiden Seiten je vier halbe Palmkerne herabhängen. Beim Hinwerfen der Schnur kommt es nur darauf an, welche von den Palmkernen mit der konvexen, welche mit der konkaven Seite nach oben fallen. Hieraus allein entsteht schon ein Odu oder eine Figur. Die Zeremonie des Palmkernwerfens wird in folgender Weise vorgenommen: Die sechzehn Palmnüsse heißen Iki und Aki. Außer ihnen wird noch eine siebzehnte Figur zu Hilfe genommen, die Oduso heißt und in Elfenbein geschnitzt ist. Siestellt einen Kopf, und zwar den Kopf des Orakelbringers Edschu, dar, was man an dem hinten lang herunterhängenden Zopf erkennen kann. Die Figur steht neben dem Ifabrett und hält gewissermaßen die Wache über die Handlung des Babalawo und den Fall der sechzehn Iki. Der Babalawo bestreut das Ifabrett mit weißem Mehl. Er nimmt die sechzehn Ifakerne und wirft sie in die Luft, der linken Hand zu. Die linke Hand greift sie. Nun kommt es darauf an, ob die Zahl der gefangenen Kerne
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