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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Valerie, er ist viel älter als du, und du weißt nichts über ihn, außer dass er dieselbe Musik mag wie du. Das muss gar nichts bedeuten. Davon abgesehen hat er sicher ganz andere Interessen, einen älteren Freundeskreis, Frauen und Männer, die abends französischen Rotwein trinken, Feinschmecker-Restaurants besuchen und über ganz andere Dinge reden als ich und die anderen Oberstufenschüler mit unserem Abistress, den Zukunftssorgen und unseren Partys, auf denen wir zu viele, viel zu süße Cocktails trinken, um uns wenigstens ab und zu von der Frage abzulenken, wie es nach dem Abitur und dem Führerschein weitergehen soll. Corvin hingegen hat bestimmt längst einen Beruf.
    Das nächste Lied zeigt wieder Corvins fröhliche, unbekümmerte Seite, raffiniert hat er Elemente aus Funk und Soul einfließen lassen, tanzbar ist das. Doch danach folgt eine Ballade, die mich noch mehr mitreißt als alles, was ich vorher gehört habe. Er muss sie mit mehreren Tonspuren oder einer Band aufgenommen haben, der Stil ist rockiger, seine Stimme eindringlicher, kraftvoller, dann wieder beinahe flüsternd auf eine beschwörende Art, ein wenig düster. Ich spüre eine Gänsehaut über meinen Rücken kriechen. Was mag in ihm vorgegangen sein, als er dies geschrieben hat?
    Starr ihn nicht so an, beschwöre ich mich selber, weil ich schon wieder beobachte, wie er sachte mit dem Fuß im Takt wippt. Ob er Erinnerungen nachhängt, die ihn dazu getrieben haben, diese Songs zu schreiben? Wenn es aus deinem Inneren kommt, ist es etwas Wertvolles , hat er gesagt, als ich meine paar Gedichte erwähnt habe. Dann gilt das auch für ihn. Es drängt mich, ihm irgendwie mitzuteilen, wie nah ich mich ihm fühle. Aber es ist besser, ich sage nichts.

3.
    D as Flugzeug ruckelt leicht und sackt etwas ab, Corvin reißt die Augen auf, und ich sehe wieder besorgt zu ihm hin, unsere Augen tauchen erneut ineinander, bleiben so einige Wimpernschläge lang. Mein Puls klettert bis zur Halsschlagader hinauf, wo er hämmernd verharrt, ich sehe Corvins Hand ganz leicht zittern, möchte sie halten, seine Finger streicheln, tue es nicht. Er fühlt es auch, glaube ich; ganz sicher fühlt er auch, dass etwas zwischen uns ist.
    »Es hat sich wieder beruhigt«, stellt er schließlich fest und atmet tief durch, fährt sich wieder mit der Hand durchs Haar. Legt seinen Kopf leicht in den Nacken und lacht, noch nicht wieder ganz frei, aber immerhin. »Eigentlich weiß ich, dass solche Turbulenzen normal sind. Aber jedes Mal bekomme ich dabei feuchte Hände.«
    Feuchte Hände. Schöne Gitarrenfinger, nicht anstarren. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr.
    »Mehr als die Hälfte haben wir geschafft«, sage ich, es soll beruhigend klingen, in meine Worte hinein läuft die Musik weiter, Corvin hat sie leise genug gestellt, dass wir trotzdem miteinander reden können.
    »Schon?«, fragt er. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist.«
    »Ich auch nicht.«
    »Es muss an dir liegen«, meint er. »Denn sonst flehe ich innerlich immer nur, dass das Flugzeug endlich landet und ich wieder Boden unter den Füßen habe. Und meistens sind solche Reisebekanntschaften ja eher oberflächlich. Man grüßt kurz, danach versinkt jeder hinter seiner Zeitung und das war’s. Mit dir ist es so, als wären wir von Anfang an zusammen gereist.«
    »Finde ich auch«, bestätige ich und spüre ein seltsames Ziehen in der Brust, ein Flattern in der Magengegend, so fühlt es sich vielleicht an, wenn man sich gerade neu verknallt. Hat es Sinn, sich gegen dieses Gefühl zu wehren, das sich immer weiter in mir ausbreitet, einen Funkenregen auf mich niederprasseln lässt und durch das auf einmal alles, alles möglich erscheint?
    Vielleicht wird er mich zum Schluss nach einem Wiedersehen fragen. Ich weiß nicht, ob ich das möchte, sehne mich danach, fürchte mich davor. Es war richtig gewesen, sich von Manuel zu trennen; das Gefühl, das Corvin in mir auslöst, zeigt mir nur allzu deutlich, wie weit ich mich innerlich bereits von ihm entfernt habe, sonst würde kein anderer solche Vulkane in mir entfachen.
    »Was darf es bei Ihnen zu trinken sein?«, fragt die Stewardess, die sich mit ihrem Rollwagen langsam bis zu uns vorgearbeitet hat. Ich nehme meinen Ohrhörer heraus.
    »Einen Tomatensaft, bitte«, bestelle ich.
    »Für mich das Gleiche«, fügt Corvin hinzu.
    »Und mit doppelt Pfeffer, bitte«, sagen wir beide wie aus einem Mund, müssen lachen, er knufft mich gegen den

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