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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Begleiter. Doch er kam nicht weit. Mitten im Sprung prallte er gegen ein unsichtbares Hindernis.
    »Oh, ich vergaß zu erwähnen, dass du in einem Zwingkreis stehst.« Faust lächelte zuvorkommend. »Ein solcher verhindert, dass das, was sich in seinem Innern befindet, aus ihm entkommt.«
    Das letzte Blütenblatt in Jacobs Händen fiel ab und trudelte zu Boden. Am Stollenende wogte die Heerschar der Geister heran.
    »Fahr zur Hölle, elender Zauberer!«, brüllte Jacob und schluchzte, während er mit dem Bergeisen verzweifelt gegen die unsichtbare Wand hämmerte. »Soll dich der Teufel holen!«
    »Glaube mir, um genau das zu verhindern, bin ich hier.« Faust deutete eine Verbeugung an, dann wandte sich ab, als sei der wimmernde Haufen Mensch hinter ihm für ihn nicht weiter von Interesse.
    Als die kreischende Geisterschar den Zwingkreis überwand, begann Jacob zu schreien.

Faust
Des Dramas erster Teil
    »Blut ist ein ganz besondrer Saft.«
    Mephistopheles,
    Faust;
Vers 1740

Freitag, der Dreizehnte
Heute
    A brakadabra!« Lukas Faust stand umringt von Zuschauern in Staufens malerischer Altstadt und verzichtete darauf, dem wohl ältesten aller bekannter Zaubersprüche auch noch das ebenso bekannte ›Dreimal schwarzer Kater!‹ hinzuzufügen. Seine kleine Aufführung war schon so kaum eines Kindergeburtstages würdig und eher der Not geschuldet. Fehlte nur noch, dass er sich in historische Tracht hüllte und seinen berühmt-berüchtigten Namensvetter imitierte, den Zauberer und Schwarzkünstler Doktor Faust. Der umtriebige Magier, dem Goethe Anfang des neunzehnten Jahrhunderts mit seiner berühmten Tragödie zu Weltruhm verholfen hatte, war untrennbar mit Staufen verbunden. Allerdings war der historische Faust bereits im sechzehnten Jahrhundert gestorben; angeblich in Staufens
Hotel zum Löwen.
Bei alchimistischen Experimenten, wie die Legende verhieß. Das Gasthaus lag nur knappe fünfzig Meter von seinem jetzigen Standpunkt entfernt und erfreute sich auch heute noch größter Beliebtheit. Dass die lokale Sage davon sprach, sein Namensvetter sei damals vom Teufel geholt worden, schien die vielen Touristen nicht abzuschrecken – im Gegenteil. Und auch Lukas Faust deutete es als gutes Omen, dass Staufen sich aufgrund dieser Legende gern als ›Fauststadt‹ präsentierte. Denn schließlich war auch ihm daran gelegen, eine ganz bestimmte Person zum Teufel zu jagen – und wer wusste schon zu sagen, ob es
ihm
nicht gelingen würde?
    Er hob den Kartenstapel routiniert an jener Stelle ab, an der die Touristin das Messer in das Paket gesteckt hatte. Anschließend drehte er das Päckchen theatralisch auf die Bildseite um. Jeder konnte so das gesuchte Pik-Ass sehen, das er zuvor vermeintlich irgendwo im Kartenset untergemischt hatte. Die Touristin staunte; die Umstehenden applaudierten. Eine Fingerübung, ebenso versiert ausgeführt wie die Münztricks, die er zuvor gezeigt hatte.
    Lukas verneigte sich, und obwohl ihm alles andere als zum Lachen zumute war, strahlte er professionell mit der Septembersonne um die Wette. Deren Schein tauchte die pastellfarbenen Bürgerhäuser in malerisches Licht und ließ die künstliche, von klobigen Blumenkübeln überdachte Wasserrinne, die den Stadtkern nach Art der berühmten Freiburger Bächle durchzog, wie ein Band aus Kristall glitzern. Selbst die vielen Risse an den Hauswänden, über denen an manchen Stellen rote Aufkleber mit dem Schriftzug ›Staufen darf nicht zerbrechen‹ prangten, wirkten heute nahezu malerisch. Lukas dachte zurück an die missglückten Erdwärme-Bohrungen nahe des alten Rathauses vor fünf Jahren und an die damit einhergehende besorgniserregende Hebung des Untergrundes unter der denkmalgeschützten Altstadt, die Politik und Bürger bis heute in Atem hielt. Kurz kniff er die Augen zusammen und fixierte die Risse, bis er sie wieder deutlich sah. Mit einem Mal schienen sie ihm wie ein Sinnbild dafür, sich nie wieder vom äußeren Schein blenden zu lassen. Er wusste schließlich aus eigener Erfahrung, dass selbst die hübscheste Fassade Risse bekam, wenn das Fundament nicht hielt, was es versprach. Nur dass sich sein Groll nicht auf Staufen richtete, sondern auf ein verführerisches Miststück namens Sylvia. Denn allein um sie zu finden, war er hier. Sie, die kleine Berlinerin, die ihn nach Strich und Faden ausgenommen hatte. Dabei war sonst er derjenige, dem nachgesagt wurde, er spiele mit den Gefühlen seiner Mitmenschen wie auf der Klaviatur eines

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