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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und nur 102 Pfund wog.
    Sie wirkte alles andere als einschüchternd. Außerdem hatte sie zwar eine ausgezeichnete Figur, war aber keine blonde Sexbombe. Blond war sie allerdings, und der besondere Silberglanz ihrer Haare zog die Blicke der Männer auf sich, ganz egal, ob sie sie nun zum ersten oder zum hundertsten Male sahen. Sogar bei strahlendem Sonnenschein erinnerte ihr Haar an Mondlicht. Diese etwas unwirklich anmu tenden hellen Haare, die zarten Gesichtszüge, ihre blauen Augen, die so sanft und freundlich dreinblickten, der schlanke Hals einer Audrey Hepburn, schmale Schultern, dünne Gelenke, langfingrige Hände und eine Wespentaille - all das erzeugte jenen irreführenden Eindruck von Zerbrechlichkeit. Hinzu kam noch, dass sie von Natur aus still und zurückhaltend war, was fälschlicherweise oft als Schüchternheit ausgelegt wurde. Und ihre Stimme war so weich und melodisch, dass man die Selbstsicherheit und Autorität, die in diesen sanften Tönen mitschwangen, sehr leicht überhören konnte.
    Ginger hatte ihre silberblonde Haarpracht, die himmelblauen Augen, ihre Schönheit und ihren Ehrgeiz von ihrer Mutter geerbt, einer einen Meter achtundsiebzig großen Schwedin.
    »Du bist mein Goldkind«, sagte Anna, als Ginger mit neun Jahren die sechste Klasse abschloss, nachdem sie zweimal eine Klasse übersprungen hatte.
    Ginger war die beste Schülerin ihrer Klasse gewesen und hatte als Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen eine Urkunde mit Goldschnitt erhalten. Außerdem hatte sie zu jenen drei Schülerinnen gehört, die im Rahmenprogramm der Schlussfeier auftraten: Sie hatte zwei Stücke auf dem Klavier gespielt - etwas von Mozart und einen Ragtime -, und das überraschte Publikum war vor Begeisterung aufgesprungen.
    »Goldkind«, sagte Anna und drückte sie auf der Heimfahrt immer wieder fest an sich.
    Jacob saß am Steuer und versuchte, die Tränen des Stolzes in seinen Augen zu verbergen. Jacob war ein gefühlvoller Mensch, der leicht von Rührung übermannt wurde. Es war ihm etwas peinlich, dass seine Augen so häufig feucht wurden, und deshalb schrieb er seine Tränen oder geröteten Augen gern einer unerklärlichen Allergie zu.
    »Heute müssen wieder ungewöhnliche Pollen in der Luft herumschwirren«, sagte er auch auf der Rückfahrt von der Schlussfeier zweimal. »Irgendwelche lästigen Pollen.«
    »Du hast alles Positive geerbt, bubbeleh -meine besten Eigenschaften und die deines Vaters, und du wirst deinen Weg machen und Erfolg haben, bei Gott, wart's nur ab, dann wirst du es selbst erleben. High School, dann College, dann vielleicht Jura- oder Medizinstudium, alles, was du willst. Alles.«
    Die einzigen Menschen, die Ginger niemals unterschätzten, waren ihre Eltern.
    Auf ihrer Einfahrt brachte Jacob das Auto plötzlich kurz vor der Garage zum Stehen und rief erstaunt: »Was machen wir denn nur? Unser einziges Kind hat die Primärschule abgeschlossen, unsere Tochter, die -weil sie einfach alles kann -vermutlich einmal den König von Siam heiraten und auf einer Giraffe zum Mond reiten wird; unser Kind trägt seinen ersten Talar - und wir feiern das nicht? Sollen wir nach Manhattan fahren und im Plaza Champagner trinken? Oder im Waldorf speisen? Nein. Ich weiß etwas Besseres. Für unsere auf einer Giraffe reitende Astronautin ist nur das Allerbeste gut genug. Wir werden zum Soda-Brunnen im Walgreen's fahren.«
    »O ja!« stimmte Ginger begeistert zu.
    Eine so merkwürdige Familie dürfte der Mixer im Walgreen's selten zu sehen bekommen haben: der jüdische Vater, der nicht viel größer als ein Jockey war und zwar einen deutschen Namen, aber ein sephardisches Aussehen hatte; die schwedische Mutter, blond und außerordentlich feminin, zwölf Zentimeter größer als ihr Mann; und das Kind, eine Elfe, klein für ihr Alter, obwohl ihre Mutter hochgewachsen war, blond, obwohl ihr Vater dunkelhaarig war, von ganz anderer Schönheit als ihre Mutter einer zarteren Schönheit, etwas unwirklich wie eine Märchengestalt. Ginger war sich schon als Kind dessen bewusst, dass Fremde, die sie zusammen mit ihren Eltern sahen, glauben mussten, sie wäre adoptiert worden.
    Von ihrem Vater hatte Ginger die zierliche Gestalt, die sanfte Stimme, den Verstand und die Freundlichkeit geerbt.
    Sie liebte beide Elternteile so inbrünstig, so grenzenlos, dass Worte nicht ausreichten, ihre Gefühle zu beschreiben. Und sogar als Erwachsene konnte sie nie richtig ausdrücken, was ihre viel zu früh verstorbenen Eltern ihr

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