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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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übrig war, gegenwärtig von einem feinen Gewebe aus hypoallergenem Metall zusammengehalten wurde, kam Sprechen nicht in Frage. Dr.   Walid hatte gesagt, sobald die Knochen wieder ausreichend zusammengewachsen seien, könne man versuchen, die zum Sprechen nötige Beweglichkeit wiederherzustellen. In meinen Ohren hörte sich das alles ziemlich vage an. Egal was Sie sehen, hatte er außerdem gesagt, schauen Sie es sich gründlich genug an, um sich daran zu gewöhnen   – damit klarzukommen   –, und dann tun Sie so, als wäre nichts geschehen.
    »Da ist sie«, sagte Lesleys Dad und drehte sich zur Seite, und eine schlanke Gestalt quetschte sich an ihm vorbei. Sie trug ein blau-weiß gestreiftes Kapuzenshirt, dessen hochgezogene, fest zugeschnürte Kapuze Stirn und Kinn verdeckte. Um ihre untere Gesichtshälfte war ein farblich passender blau-weiß gemusterter Schal geschlungen, und ihre Augen waren hinter einer riesigen altmodischen Sonnenbrille verborgen, von der ich den Verdacht hatte, dass sie aus der Kiste mit aussortierten Klamotten ihrer Mum stammte. Auftragsgemäß schaute ich gründlich, aber es gab nichts zu sehen.
    »Du hättest mich vorwarnen können, dass wir einen Raubüberfall vorhaben«, sagte ich. »Dann hätte ich meine Sturmhaube mitgebracht.«
    Sie schenkte mir einen ungnädigen Blick   – das erkannte ich an der Neigung ihres Kopfes und der Art, wie sie die Schultern hielt. In meiner Brust stockte es kurz, und ich holte tief Atem.
    »Lust auf einen Spaziergang?«
    Sie nickte ihrem Dad zu, ergriff meinen Arm und zog mich vom Haus weg.
    Im Weggehen spürte ich die Augen ihres Vaters in meinem Rücken.
    Abgesehen von den Yachtwerften und ein paar Touristen ist es in Brightlingsea selbst im Sommer ziemlich ruhig. Jetzt, zwei Wochen nach Ende der Sommerferien, war außer gelegentlich einem vorbeifahrenden Auto und dem Geschrei der Möwen kaum ein Geräusch zu hören. Ich schwieg, bis wir die Hauptstraße überquert hatten. Hier zog Lesley ihr Notizbuch Marke Polizei aus der Tasche, schlug die letzte Seite auf und zeigte sie mir.
    Und, was treibst du so?,
war mit schwarzem Kuli quer über die Seite geschrieben.
    »Das willst du gar nicht wissen«, sagte ich.
    Sie machte eine Geste, die besagte: Doch, will ich.
    Also erzählte ich ihr von dem Typen, dem sein bestes Stück von einer Frau mit Zähnen in der Vagina abgebissen worden war (das schien sie zu amüsieren), und von den Gerüchten, dass das Verhalten von Detective Chief Inspector Seawoll bei der Covent-Garden-Randale von der Kommission für polizeiliches Fehlverhalten untersucht wurde (das amüsierte sie eindeutig nicht). Ich erzählte ihr nicht, dass Terrence Pottsley, der einzige weitere Überlebende des Zaubers, der ihr das Gesicht zerstört hatte, sich umgebracht hatte, sobald seine Familie mal kurz nicht hinsah.
    Wir gingen nicht den kürzesten Weg zum Strand. Stattdessen führte Lesley mich hinten herum, durch die Oyster Tank Road und über einen grasbewachsenen Parkplatz, wo Reihen von Bootsanhängern mit Segeljollen darauf standen. Eine frische Brise vom Meer strich durchs Takelwerkund ließ die Metallteile bimmelnd wie Kuhglocken aneinanderschlagen. Hand in Hand schlängelten wir uns zwischen den Booten hindurch und erreichten schließlich die windgepeitschte betonierte Uferpromenade. Auf der Seeseite führten Zementstufen zum Strand hinunter, der von morschen Wellenbrechern in schmale Streifen geteilt wurde; auf der Landseite zog sich eine Reihe bunt gestrichener Strandhütten entlang. Die meisten waren fest verrammelt, aber eine Familie hatte es sich anscheinend in den Kopf gesetzt, den Sommer so lange auszureizen wie nur möglich. Die Eltern saßen im Schutz ihres Vordachs und tranken Tee, die Kinder kickten sich am Strand einen Fußball zu.
    Zwischen der Strandhüttensiedlung und dem Freibad gab es ein Stück Wiese mit einem Unterstand. Hier ließen wir uns schließlich nieder. Der Unterstand stammte aus den dreißiger Jahren, als man das britische Klima noch realistisch gesehen hatte   – er war aus Backsteinen gemauert und so stabil, dass er auch als Panzersperre hätte herhalten können. Auf der Bank an der Rückwand war man gut vor dem Wind geschützt. Die Innenwände zierte ein Wandbild von einem Strand mit blauem Himmel, weißen Wolken und roten Segeln. Irgendein Schwachkopf hatte »BMX« quer über den Himmel gesprüht, und auf einer Seitenwand, genau in Armhöhe einer gelangweilt auf der Bank hockenden Jugendlichen,

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