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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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prangten drei gekritzelte Namen: BROOKE T., EMILY B. und LESLEY M.   Man brauchte kein Polizist zu sein, um zu erkennen, dass hier die Dorfjugend von Brightlingsea in dem schwierigen Alter zwischen Strafmündigkeit und legalem Alkoholkonsum abhing.
    Lesley zog ein iPad-Imitat aus ihrer Handtasche, fuhr es hoch und tippte im Tastaturmodus etwas ein. Und das Ding fing an zu reden. Irgendwer in ihrer Familie musste sich mit Computern auskennen und hatte eine Sprachsoftware installiert. Es war die Standardausführung mit amerikanischem Akzent, die Lesley klingen ließ wie einen autistischen Surfer aus Kalifornien, aber wenigstens konnten wir uns fast normal unterhalten.
    Sie hielt sich nicht lange mit Smalltalk auf.
    »Kann Magie was machen bei mir?«
    Vor der Frage hatte ich mich gefürchtet. »Ich dachte, Dr.   Walid hätte mit dir darüber geredet.«
    »Sag du«, sagte sie.
    »Was?«
    Lesley beugte sich über das iPad und tippte zielstrebig auf dem Bildschirm herum.
    »Ich will es von dir hören«, sagte das iPad.
    »Warum?«
    »Weil ich dir vertraue.«
    Ich atmete tief durch. Vor dem Unterstand zischte ein Seniorenpärchen auf Elektromobilen vorbei.
    »Soweit ich das überblicke, funktioniert Magie in genau dem gleichen Rahmen physikalischer Gesetze wie alles andere.«
    »Was Magie anrichtet«, sagte das iPad, »kann Magie reparieren.«
    »Wenn du dir die Hand mit Feuer oder Strom verbrennst   – hast du eine Verbrennung. Du heilst sie mit Salbe und Verbänden und solchem Zeug. Nicht mit noch mehr Strom oder Feuer. Und   …«
    Und dir wurde das Gesicht brutal von einem bösenGeist verformt   – dein Kiefer wurde total zerquetscht   – und das Ganze wurde nur noch durch Magie zusammengehalten, und als die aufgebraucht war, fiel dein Gesicht auseinander. Dein wunderschönes Gesicht. Ich war dabei, ich musste es mit ansehen. Und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
    »…   du kannst es nicht einfach wegwünschen«, sagte ich.
    »Und du weißt alles?«, fragte das iPad.
    »Nein. Und ich denke, Nightingale auch nicht.«
    Sie saß lange stumm und reglos da. Ich hätte gern den Arm um sie gelegt, wusste aber nicht, wie sie reagieren würde. Gerade hatte ich mich dazu durchgerungen, da nickte sie entschlossen und nahm wieder das iPad zur Hand.
    »Zeig mir«, sagte das iPad.
    »Lesley   …«
    »Zeig mir.« Sie drückte mehrmals auf den Wiederholungsknopf. »Zeig mir, zeig mir, zeig mir   …«
    »Warte.« Ich wollte nach dem iPad greifen, aber sie zog es aus meiner Reichweite.
    Ich erklärte: »Ich muss den Akku rausnehmen. Sonst zerstört die Magie die Hardware.«
    Sie drehte das iPad um, ließ es aufschnappen und nahm den Akku heraus. Ich hatte nach fünf verschlissenen Handys für mein neues Samsung einen altmodischen Sicherungsmechanismus gebastelt, weswegen das Gehäuse von Gummibändern zusammengehalten wurde. Lesley warf einen Blick darauf und schüttelte sich mit einem Schnauben, das wahrscheinlich ein Lachen war.
    Ich stellte mir im Kopf die nötige
Forma
vor, öffnete die Hand und erschuf ein Werlicht. Kein starkes, aber doch sohell, dass es sich in Lesleys dunklen Brillengläsern spiegelte. Sie hörte auf zu lachen. Ich schloss die Hand, und das Licht ging aus.
    Einen Moment lang starrte Lesley meine Hand an, dann machte sie meine Geste nach, einmal, zweimal, langsam und methodisch. Als nichts passierte, sah sie mich an, und ich wusste, dass sie unter Brille und Schal die Stirn runzelte.
    »So leicht ist es nicht«, sagte ich. »Ich hab anderthalb Monate lang jeden Morgen vier Stunden geübt, bis ich es konnte, und das ist nur der allererste Anfang. Hab ich dir schon von all dem Latein und Griechisch erzählt   …?«
    Es herrschte eine kurze Stille, dann piekste sie mich mit dem Finger in den Arm. Ich seufzte und ließ noch ein Werlicht erscheinen. Inzwischen konnte ich das praktisch im Schlaf. Wieder imitierte sie die Geste. Nichts geschah   – das mit dem langen Üben war auch kein Witz gewesen.
    Das Senioren-Racing-Team kam wieder die Promenade entlanggebraust. Ich ließ das Licht erlöschen, aber Lesley machte die Geste weiter. Mit jedem Mal wurde die Bewegung ungeduldiger. Ich beherrschte mich eine Weile, dann nahm ich ihre Hand in meine, damit sie aufhörte.
    Nicht lange danach schlenderten wir zu ihrem Haus zurück. Auf der Schwelle tätschelte sie mir den Arm, ging ins Haus und machte mir die Tür vor der Nase zu. Durch das Buntglasfenster sah ich, wie ihr verschwommener Schatten

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