Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
Magie stieß – wenn das überhaupt möglich war. Ich hätte auf den Regalen wenigstens ein paar einschlägige Bücher erwartet, aber bei Cyrus gab es nichts dergleichen, nicht einmal Aleister Crowleys
Buch der Lügen,
das immer für einen Lacher gut ist, wenn auch zu nichts sonst. Tatsächlich glichen die Regale eher denen meines Dad: viele Jazzerbiografien – Art Pepper, Charlie Parker etc. pp. –, dazwischen zur Auflockerung ein paar frühe Romane von Dick Francis.
»Haben Sie etwas gefunden?«
Simone stand im Türrahmen. Ich war so in die Betrachtung des Zimmers versunken gewesen, dass ich sie nicht hatte kommen hören. Lesley pflegte zu sagen, dass die Fähigkeit, eine von hinten nahende holländische Volkstanzgruppe nicht zu bemerken, in der komplexen, unberechenbaren Welt der modernen Polizeiarbeit kein positiver Überlebensfaktor sei. Ich möchte anmerken, dass ich zu jenem Zeitpunkt gerade damit beschäftigt war, einem ziemlich schwerhörigen Touristen den Weg zu erklären, und überhaupt waren es keine Holländer, sondern Schweden.
»Noch nicht.«
»Ich will Sie nicht zur Eile drängen«, sagte sie. »Ich hatte nur bereits ein Taxi bestellt, ehe Sie kamen, und Sie wissen, wie diese Burschen es hassen, wenn man sie warten lässt.«
»Wohin wollen Sie denn?«, fragte ich.
»Nur zu meinen Schwestern. Bis ich wieder Boden unter den Füßen habe.«
Ich bat sie um die Adresse und schrieb sie auf. Erstaunlicherweise lag sie in Soho, in der Berwick Street. »Ich weiß«, sagte Simone, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. »Sie sind ein bisschen unkonventionell.«
»Hatte Cyrus noch anderes Grundeigentum, einen Schuppen, eine Garage, einen Schrebergarten vielleicht?«
»Nicht dass ich wüsste.« Plötzlich lachte sie. »Cyrus und ein Schrebergarten – eine höchst unwahrscheinliche Kombination!«
Ich dankte ihr für ihre Zeit, und sie begleitete mich zur Tür.
»Ich danke Ihnen, Peter«, sagte sie. »Sie waren sehr freundlich.«
Im Fenster neben der Tür, in dem sich die Straße spiegelte, sah ich, dass der Honda Civic immer noch auf der anderen Straßenseite stand und die Fahrerin genau zu uns herüberstarrte. Als ich mich zur Straße wandte, drehte sie hastig den Kopf und tat so, als studiere sie die Aufkleber auf dem Heck des Autos vor ihr. Dann riskierte sie einen Blick zurück, nur um festzustellen, dass ich jetzt quer über die Straße auf sie zuging. Ich sah, wie sie erst von Verlegenheit, dann von Panik erfasst wurde und schwankte, ob sie den Wagen starten oder aussteigen sollte. Als ichans Fenster klopfte, zuckte sie zusammen. Ich zeigte ihr meinen Dienstausweis. Sie schaute ihn verwirrt an. Das passiert relativ oft, hauptsächlich deshalb, weil die meisten Mitbürger noch nie einen Polizei-Dienstausweis aus der Nähe gesehen und keine Ahnung haben, was zum Teufel das sein soll. Irgendwann kapierte sie es und öffnete das Fenster.
»Würden Sie bitte aus dem Wagen steigen, Madam?«
Sie nickte und stieg aus. Sie war klein, schlank und gut gekleidet; das türkise Kostüm war von der Stange, aber hochwertig. Immobilienmaklerin, dachte ich, vielleicht auch PR oder hochklassiger Einzelhandel, auf jeden Fall etwas mit Kundenkontakt. Wenn sie es mit der Polizei zu tun kriegen, lehnen sich die meisten Leute zur moralischen Unterstützung an ihr Auto, sofern sie es zur Hand haben. Sie nicht, allerdings spielte sie nervös mit dem Ring an ihrer linken Hand und strich sich die Haare hinter die Ohren zurück.
»Ich habe nur im Auto gewartet«, sagte sie. »Ist etwas?«
Ich bat um ihren Führerschein. Sie händigte ihn gehorsam aus. Fragt man irgendwelche beliebigen Bürger nach Namen und Adresse, lügen sie einen nicht nur regelmäßig an, nein, sie sind nicht einmal verpflichtet, damit herauszurücken, außer man erstattet wegen einer Straftat Anzeige, und selbst dann muss man einen Empfangsschein ausfüllen, um zu beweisen, dass man nicht aus purer Niedertracht blonde Immobilienmaklerinnen tyrannisiert. Lässt man die Leute allerdings in dem Glauben, es handle sich um eine Verkehrskontrolle, dann vertrauen sie dir fröhlich ihren Führerschein an, auf dem ihr Name einschließlich peinlicher zweiter Vorname, ihr Geburtsdatumsowie ihre Adresse stehen. Ich schrieb mir alles ab. Sie hieß Melinda Abbott, war 1980 geboren und wohnte in dem Haus, das ich gerade verlassen hatte.
»Ist das Ihre derzeitige Adresse?«, fragte ich, als ich ihr das Dokument zurückgab.
»Mehr oder weniger«,
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