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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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zur Tatzeit kein Alibi.«
    »Und was hat das mit dem Notruf zu tun?«
    »Seit Monaten wollte er von mir die Aufzeichnung. Mir kam die Idee, den Header der Datei so zu manipulieren, dass eine frühere Uhrzeit ausgegeben wird.«
    Die Squash-Stunde, fuhr es Treidler durch den Kopf. Erst jetzt bemerkte er, dass er laut gesprochen hatte. »Sie … sie geht meist bis elf.«
    Amstetter wandte sich ihm zu. »Wenn Lisas Notruf vor elf bei der Zentrale eingegangen wäre, hätte ich keine Möglichkeit gehabt, zur Tatzeit bei dir zu Hause zu sein. Alle im Squash Court konnten bezeugen, dass ich erst um elf gegangen bin. Nie wärst du auf die Idee gekommen, mich zu verdächtigen. Und wer interessiert sich schon für die Uhrzeit, die in einem Protokoll steht, wenn es eine offizielle Zeit aus dem Telefonnetz gibt.«
    »Ich … ich habe dich nie verdächtigt.«
    »Wie schon gesagt …« Amstetter wandte sich wieder an Melchior. »Alles sollte perfekt sein.«
    »Das nennt man wohl … Pech.« Melchior lächelte schief.
    »Ich konnte nicht damit rechnen, dass Sie mir das Wasser reichen können.«
    »Irgendwann macht jeder den entscheidenden Fehler. Mit Ihrer verfluchten Arroganz haben Sie sich das selbst zuzuschreiben.«
    »Danke für die Belehrung, Frau Melchior. Aber wir sollten jetzt besser unser kleines Problem lösen.«
    »So, welches denn …?«
    »Das hier.« Amstetter deutete mit der Pistole auf Treidlers Kopf. »Ich denke, wir können von einer klassischen Patt-Situation sprechen.«
    Unruhig zuckten Melchiors Augen. »Davon würde ich nicht ausgehen.« Wie zum Beweis ihrer Entschlossenheit spannte sie den Hahn ihrer Pistole. »Waffe runter – sofort.«
    Treidler meinte, einen Anflug von Nervosität in ihrer Stimme auszumachen.
    Amstetter schaute ein paarmal unschlüssig zwischen seiner Waffe und Melchior hin und her. Schließlich trat ein überheblicher Zug auf sein Gesicht. »Meistens überschätzen sich Menschen bei der Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Sie beispielsweise sind nicht in der Lage, auf mich zu schießen.«
    »Tatsächlich?«, entgegnete Melchior. Sie hielt den Lauf etwas nach rechts und drückte ab.
    Treidler fuhr zusammen. Der Schussknall hallte in seinem Kopf nach und ließ ein dumpfes Sirren zurück.
    Sofort richtete sie die Waffe wieder auf Amstetter.
    Ein leises Zischen löste das Sirren in seinen Ohren ab. Luft entwich. Melchior hatte die Puppe auf dem Sessel getroffen. Die Gestalt fiel schnell in sich zusammen, und das Gesicht verwandelte sich binnen Augenblicken zu einem unansehnlichen Schrumpfkopf. Die blonde Perücke sank nach unten und blieb auf einer Armlehne liegen. Der grau-weiß karierte Hosenanzug sah mit einem Mal aus wie ein Haufen Altpapier.
    Zeitgleich mit Amstetters qualvollem Aufstöhnen vernahm er Melchiors Befehl: »Werfen Sie sofort die Waffe auf den Boden und schieben Sie sie mit den Füßen zu mir herüber.«
    Es schien, als ob seine Kollegin mit dem Schuss auf die Gummipuppe auch Amstetter getroffen hatte. Wie das schnell schrumpelnde Knäuel aus Gummi sank auch er zusammen. Einen Moment später hörte Treidler das Geräusch seiner Pistole, als sie auf den Boden aufschlug.
    »Herschieben«, befahl Melchior. Ihre Stimme klang jetzt fest und sicher.
    Treidler konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass durch ihren Schuss auf die Puppe auch alle Energie Amstetters Körper verlassen hatte. Kraftlos gab er der Pistole einen Stoß mit dem Fuß. Nach kaum zwei Metern, noch außer Reichweite für Melchior, blieb sie liegen.
    »Und jetzt? Wollen Sie auch auf mich schießen, weil Sie nicht an die Waffe auf dem Boden kommen?« Er hielt ihr die Handgelenke hin. »Oder wollen Sie mir vielleicht doch zuerst Handschellen anlegen?«
    Melchior trat zwei Schritte nach vorne und kickte die Waffe mit dem Absatz hinter sich. Sie schlug am Türrahmen an und blieb dort liegen. »Nein. Sie lösen jetzt Treidlers Fesseln.«
    Amstetter blickte kurz zum Sessel und wieder zurück zu Melchior. »Ich denk gar nicht dran.« Entschlossen steckte er seine Hände in die Kutte.
    »Lassen Sie das.« Unüberhörbar schwang jetzt Nervosität in Melchiors Stimme mit. »Ich will Ihre Hände sehen – jetzt gleich.«
    Amstetter zog beide Hände hervor. Langsam tastete er seinen Oberkörper ab und ergriff die Maske, die vorne an seiner Kutte herunterbaumelte. Er drückte sie sich ins Gesicht und drehte mit der anderen Hand das Ventil der Heliumflasche auf. Das zischende Geräusch des ausströmenden Gases beherrschte für

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