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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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genommen. Sie hätte nichts mehr für dich empfunden. Verlass dich drauf, ich weiß, von was ich rede. Auch mir ist es früher einmal so ergangen. Aber ich hab dafür gesorgt, dass es nicht noch einmal geschieht. Ich habe dich von dieser Last befreit. Jetzt bleiben wir Freunde – für alle Zeiten.«
    »Freunde?« Treidler spuckte das Wort förmlich in den Spiegel – in Amstetters Gesicht. »Ich schwör dir: Ich bring dich um, sobald ich hier loskomme …«
    Amstetter reagierte nicht auf Treidlers Drohung. Mit ruhiger Stimme fuhr er fort: »Sie hier«, er deutete mit dem Kinn zu der Puppe, »wird immer für mich da sein. Sie hört mir zu und wird nie jemand anderen haben. So wie du zukünftig auch.«
    »Damit kommst du nicht davon …«
    »Natürlich.« Amstetter stieß ein hässliches Lachen aus. Verachtung schwang in seiner Stimme mit, als er weitersprach: »Ich bin gut, viel zu gut für ein paar Kriminalpolizisten aus der schwäbischen Provinz.«
    »Ich habe mich vorhin getäuscht. Du bist nicht verrückt, sondern einfach nur krank …«
    Wie zum Beweis steigerte sich das Lachen Amstetters ins Manische.
    »Sie werden dich kriegen …«
    Schlagartig verstummte Amstetter. Es war, als ob er nur auf diesen Augenblick gewartet hatte. »Wer denn? Deine kleine Stasi-Schlampe? Ihr scheint euch ja inzwischen richtig zu mögen.«
    Treidler antwortete nicht. Warum zum Teufel brachte er Melchior ins Spiel? Was hatte er mit ihr vor?
    »Der werde ich es auch noch besorgen. Sie weiß zwar nicht allzu viel, aber dennoch könnte ihre Schnüffelei … sagen wir … eine Art Risikofaktor für mich darstellen. Ich kalkuliere das mit zwei bis zweieinhalb Prozent ein – und das ist eindeutig zu viel.«
    »Lass Melchior aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun.« Treidler versuchte, das Kinn zu reckten.
    »Sie hat bereits etwas damit zu tun. Ich hab vorhin ihre SMS gelesen. Sie wollte dich warnen.« Amstetter ließ seinen Worten erneut dieses hässliche Lachen folgen.
    ***
    Melchior trat vor den Kühler des Mercedes und legte eine Hand auf die Motorhaube. Das Blech strahlte noch etwas Wärme ab. Nicht viel, aber trotz der tiefen Temperaturen spürbar. Allzu lange konnte der Wagen noch nicht hier stehen. Vermutlich nicht länger als eine halbe Stunde. Sie überprüfte die Türen – alle waren verschlossen. Durch eine der Seitenscheiben spähte sie ins Innere. Dort sah es aus wie immer. Lediglich auf dem Rücksitz, inmitten des Unrats, lagen zwei volle Wodkaflaschen. Schon wollte sie wieder gehen, als sie das ausgeschaltete Mobiltelefon in der Mittelkonsole entdeckte. Dieser verfluchte Ignorant. Mit aller Kraft trat sie gegen einen der Reifen. Treidler hatte ihre SMS überhaupt nicht gelesen.
    Sie wandte sich um. Halbhohe Hainbuchenhecken säumten den schneebedeckten Gehweg auf der anderen Straßenseite. Eine eisige Böe ließ die wenigen verdorrten Blätter an den kahlen Zweigen erzittern. Kleine Schneeflocken stoben auf und wirbelten umher. Melchior begann zu frösteln und hielt den Kragen der Jacke zusammen.
    Nach wenigen Augenblicken legte sich der Wind. Sie ließ ihren Blick über die Fassade des Hauses mit der Nummer vier wandern. Nur eines der Fenster, ganz links im zweiten Stock, war hell. Alles andere lag im Dunkeln. Doch nein – im Fenster direkt unterhalb flackerte Kerzenlicht.
    Schnell hatte sie die Straße überquert und Amstetters Türschild gefunden. Zweiter Stock. Das passte zu dem beleuchteten Fenster. Sollte sie einfach klingeln? Unter welchem Vorwand würde Amstetter öffnen und sie hereinlassen? Rasch schob sie ihre Bedenken beiseite. Es blieb keine Zeit für Zögern, keine Zeit, darüber nachzudenken, was sie stattdessen tun könnte. Zur Not würde ihr schon etwas einfallen. Sie drückte die Klingel und lauschte.
    Niemand öffnete. Erneut drückte Melchior den Knopf – diesmal deutlich länger. Abermals tat sich nichts. Als ob niemand zu Hause wäre oder die Klingel nicht zur beleuchteten Wohnung im zweiten Stock gehörte. Unvermittelt kam ihr Treidler in den Sinn, der in Stuttgart ungeniert alle Klingeln des Mietshauses in der Mozartstraße gedrückt hatte, um einen Bewohner dazu zu bringen, den Türöffner zu betätigen.
    Sie drückte wahllos alle sechs Knöpfe und wartete. Sekunden später ging die Türsprechanlage an, und ein älterer Mann mit übertrieben lauter Stimme meldete sich. Bereits bei dem Wort »Kriminalpolizei« betätigte er ohne weitere Nachfrage den Türöffner.
    Melchior eilte den Gang

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