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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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seinem Beruf wie das Verbrechen und der Abschaum, der es verübte. Tagtäglich. Woche für Woche. Jahraus, jahrein.
    Jetzt hast du es fast geschafft, redete er sich Mut zu und spannte den Hahn der Pistole. Diesmal war er entschlossen, es endlich hinter sich zu bringen. Nach Dutzenden Versuchen in den letzten Monaten fehlte jetzt nur noch eine winzige Krümmung mit dem Finger, und diese Leere, die zermürbende Hoffnungslosigkeit gehörten der Vergangenheit an.
    Er schielte zum Abzugsbügel. Nur leicht berührte sein Zeigefinger das Metall. Seine feuchte Haut hatte die mattschwarze, satinierte Oberfläche mittlerweile zum Glänzen gebracht. Treidler versuchte, das erste Fingerglied anzuspannen. Seine Muskeln und Sehnen gehorchten nur zaghaft. Jeder Millimeter kostete Kraft – Kraft, die ihn plötzlich zu verlassen drohte. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Wie im Krampf begann seine Hand zu zittern, und der Pistolenlauf schlug zwischen seinen Zähnen hin und her.
    Treidler hielt die Luft an, bis ihm die Lungen zu bersten drohten. Durch flaches Ein- und Ausatmen versuchte er, seine Hand mit der Waffe unter Kontrolle zu bringen. Es gelang ihm nicht. Das Klacken der Zähne am Pistolenlauf hörte nicht auf, und je länger das Zittern andauerte, desto mehr baute sich in ihm ein Gefühl auf, das er gut kannte: Hass. Wenn es noch etwas gab, das ihm geblieben war, dann der Hass auf sich selbst, auf sein Versagen. Rasender denn je erfüllte diese eine Empfindung sein Bewusstsein und würde existieren, bis er den Mörder seiner Frau gefunden hatte.
    Lass das, du Feigling! Der Gedanke durchfuhr ihn wie ein Schlag. Fast von selbst ließ sein Zeigefinger den Abzugsbügel los. Denk nach, verdammt! Wenn du nicht weitermachst, gibst du nur den anderen recht. All denjenigen, die davon überzeugt sind, dass du es getan hast. Und dann werden sie glauben, dass dein Freispruch ein Fehlurteil war. Oder dass man dich hat gehen lassen, weil du bei der Kriminalpolizei bist. Du musst deine Unschuld beweisen.
    Beweisen – das Wort hämmerte in seinem Kopf. Er hatte Hunderte Fälle gelöst: Mord, Totschlag, Drogen- und Einbruchsdelikte; das ganze Programm eines Kriminalpolizisten. Nur bei diesem Fall, der seinen Namen trug, versagte er völlig. Jetzt war er schon wieder ein paar Monate bei diesem Scheißverein. Und was hatte er herausgefunden? Nichts, überhaupt nichts! Es gab keine Beweise für seine Unschuld und erst recht keine für die Schuld eines anderen.
    Plötzlich nahm Treidler ein Geräusch wahr, eine Art Summen. Er schluckte. Schmerzhaft kratzte der Pistolenlauf an seinem Gaumen. Erst jetzt bemerkte er, dass die Außentasche seiner Jacke am Stuhl vibrierte, als ob ein kleines Tier darin herumtollte. Dieses verfluchte Mobiltelefon, er hatte es noch nie leiden können. Früher war es auch ohne gegangen: ohne Internet, ohne Computer und vor allem ohne diesen Schnickschnack voll unnützer Elektronik. Wieso gab es bei den Dingern überhaupt eine Stummstellung, wenn sie trotzdem weiter Geräusche verursachten? Die Trivialität dieser Frage überraschte ihn. Mit dem Pistolenlauf im Rachen, einen Augenblick, bevor er abdrücken wollte, fiel ihm nichts Besseres ein, als über die Funktion seines Mobiltelefons nachzudenken.
    Er zog den Lauf aus dem Mund, sicherte die Pistole und legte sie neben die halb volle Wodkaflasche auf den einzig freien Platz, den der Wohnzimmertisch noch bot: einen verschmierten Pizzakarton. Den Rest der Tischplatte nahmen leere Flaschen, Konservendosen sowie anderes Gerümpel ein. Und die abgegriffene rote Aktenmappe mit einem dicken Stapel Unterlagen. Einige der Papiere lagen nahezu rechtwinklig ausgerichtet auf dem Fußboden vor dem Wohnzimmerregal. Meist handelte es sich um Bilder, die alle dasselbe grausame Motiv zeigten: eine tote Frau. Darunter oder daneben klebten vereinzelt gelbe Notizzettel.
    Treidler wischte sich mit beiden Handballen die Tränen aus den Augen und kramte in der Jackentasche nach dem Quälgeist. Mit zusammengekniffenen Lidern entzifferte er die Nummer seiner Dienststelle auf dem Display. Er runzelte die Stirn und schaute auf seine Armbanduhr: kurz vor halb acht. Sollte er den Anruf einfach ignorieren? Normalerweise schlief er um diese Uhrzeit, denn der Alkohol forderte seinen Tribut. Besonders, seit er die vierzig überschritten hatte. Er konnte einen Suff nicht mehr so leicht wegstecken wie früher. Und in letzter Zeit soff er gewiss viel zu viel.
    »Was gibt’s?«, blaffte Treidler grußlos

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