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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Die Tür auf der linken Seite stand noch immer offen. Und im Gegensatz zur rechten Wohnung gab es auf dem Boden davor eine Fußmatte. Auch das Klingelschild trug einen Namen, den sie als »M. Holzmann« identifizierte.
    Melchior näherte sich vorsichtig dem linken Eingang. Aus dem Zimmer am Ende des Flurs drang schwaches Kerzenlicht. Der Rest der Wohnung lag im Halbdunkel. Undeutlich nahm Melchior zwei Männer wahr, die sich unterhielten. Sie klangen so dumpf, dass sie nicht verstehen konnte, über was die beiden redeten. Bald jedoch schälte sich eine kraftlose, aber vertraute Stimme heraus: Treidler.
    Mittlerweile hatten sich Melchiors Augen an das Halbdunkel gewöhnt. Der Flur stand bis auf ein paar Möbelstücke leer. Sie schlich weiter, und die Stimmen aus dem Zimmer vor ihr wurden deutlicher.
    »Lass Melchior aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun«, drang Treidlers Aufforderung an ihr Ohr. Mit ihm stimmte etwas nicht. Seine Stimme klang zu brüchig, zu leise – er musste verletzt sein. Ihr Herz schlug mit einem Mal so laut, dass sie meinte, den Widerhall von den Wänden zu hören. Erneut nahm sie die Pistole aus dem Holster und zwang sich, ruhig zu atmen.
    Sie erreichte die Tür und blieb davor stehen.
    »Sie hat bereits etwas damit zu tun.« Es war eindeutig Amstetter, der sprach. »Ich hab vorhin ihre SMS gelesen. Sie wollte dich warnen.« Danach lachte er kurz, ein hohler Laut, der etwas Unheimliches an sich hatte. Ein eisiger Schauer jagte Melchior über den Rücken.

ZWEIUNDZWANZIG
    Etwas Metallenes blitzte auf. Treidler fokussierte seinen Blick auf die Stelle im Spiegel. Für eine Sekunde meinte er, ein Gesicht zu sehen. Schemenhaft setzte sich die helle Fläche vom Schwarz des Flurs ab. Als er die Gesichtszüge erfassen wollte, verlor sich das Bild in der Dunkelheit hinter der Tür. Augenblicke später vernahm er den charakteristischen Laut, der beim Durchladen einer Pistole entstand. Unendliche Male hatte er es gehört. Doch nie hätte er sich vorstellen können, jemals so glücklich darüber zu sein. Das Geräusch stammte eindeutig von einer HK P 2000 – der Dienstwaffe der baden-württembergischen Polizei.
    »Nehmen Sie die Waffe herunter, Amstetter.« Scharf drang Melchiors Stimme in den Raum und wurde von den kahlen Wänden zurückgeworfen.
    Treidler riss den Kopf herum und stellte sich schon auf den Schmerz an seinem Hals ein. Doch er blieb aus. Der Draht lag nicht allzu fest. Er hob die Augen zum Spiegel und versuchte, Melchior auszumachen. Niemand war zu sehen. Sie hielt sich geschickt im Dunkel des Flurs.
    »Schau an, schau an …« Amstetter rührte sich nicht. Seine Waffe zeigte immer noch auf Treidlers Kopf. »Wir haben Besuch bekommen. Ich glaube, so viele Leute waren schon seit Jahren nicht mehr in dieser Wohnung. Aber wo ist sie denn, unsere kleine Stasi-Schlampe? Soll ich etwa suchen?«
    Melchior trat in das flackernde Licht der Kerze. Der Lauf ihrer Waffe zeigte auf Amstetter. Mit ernster, aber ansonsten völlig ausdrucksloser Miene schaute sie ihn an. Doch sie war nicht so ruhig, wie es auf den ersten Blick schien. Noch im Spiegel konnte Treidler das leichte Zittern ihrer Hände sehen.
    »Guten Tag, Frau Melchior.« Amstetter drehte ihr den Kopf zu, ohne die Waffe zu bewegen. »Wie geht es Ihnen? Wollen Sie an unserem Männerabend teilnehmen?«
    Melchior antwortete nicht.
    »Ich glaube nicht, dass ich Sie eingeladen habe«, fuhr Amstetter fort. »Aber wenn Sie schon mal da sind – mich interessiert brennend, wie Sie auf mich gekommen sind.«
    »Ich kenne sonst niemanden, der Ein-Liter-Heliumflaschen kauft und diese anschließend in einem verdammten Rucksack mit sich herumträgt.« Sie deutete mit dem Kinn auf Amstetters Rücken. »Oder? Das ist doch eine der Flaschen?«
    Treidler konnte in Amstetters Gesicht keine Reaktion auf ihre Frage erkennen. »Die Rechnungen heute Morgen?« Lediglich sein Tonfall deutete Überraschung an.
    Melchior nickte. »Die Verbindung zu der piepsigen Stimme auf Lisa Treidlers Notruf war nicht mehr schwer zu ziehen. Aber warum haben Sie die Aufnahme überhaupt an Treidler weitergegeben? Niemand hätte je einen Zusammenhang erkannt.«
    Amstetter hob die Achseln, und das erste Mal, seit Melchior im Raum war, sah Treidler in seinem Gesicht eine wenn auch kaum merkliche Reaktion: Seine Mundwinkel zuckten. »Es ist der einzige Fehler, der mir unterlaufen ist. Alles sollte perfekt sein. Aber es gab etwas, das mich störte.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich hatte

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