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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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nun eindeutig zu viel. Treidler quittierte ihren Vorwurf mit einem geringschätzigen Gesichtsausdruck. »Wissen Sie was?«, polterte er dann los.
    »Nein«, gab Melchior zurück. Sie trat direkt vor ihn und schaute ihn von unten herauf an. »Aber ich habe die Befürchtung, dass ich Sie nicht daran hindern kann, es mir zu sagen.«
    Ohne mit der Wimper zu zucken hielt er ihrem Blick stand. »Darauf können Sie einen lassen. Denn Sie … Sie geben mir garantiert keine Anweisungen.«
    »Wissen Sie was?«, konterte Melchior unbeeindruckt. »Sie riechen nach Alkohol. Vielleicht sind Sie sogar betrunken. Und möglicherweise ist es Ihnen deshalb nicht aufgefallen, dass ich im Plural gesprochen habe. Die Anweisung galt der Spurensicherung.«
    Treidler überraschte die Entschlossenheit, die ihm aus den dunkelbraunen Augen entgegenschlug. Trotz aller Vorbehalte, die er schon jetzt gegen die Frau hegte, nickte er langsam. »Ihr habt sie gehört«, rief er zu den Männer hinüber. »Zieht ihm den linken Schuh aus.«
    Amstetter und einer der anderen Beamten im weißen Overall machten sich sofort am Fuß des Toten zu schaffen. Treidlers Gedanken kreisten weiter um die Theorie des Auftragsmords. Aufgrund der Sachlage musste er sich eingestehen, dass einige Fakten dafür sprachen. Wenngleich ihm der Tote viel zu alt erschien, um das Opfer eines professionellen Killers zu sein.
    »Wolfes«, drang Amstetters Stimme auf ihn ein.
    »Was ist los, verflucht …« Treidler konnte es nicht leiden, wenn ihn jemand beim Nachdenken störte. Und Amstetter hatte eine wahre Begabung dafür entwickelt, ihm auf die Nerven zu gehen.
    »Wir haben da etwas gefunden.« Ein fast erstaunter Unterton schwang in Amstetters Feststellung mit.
    »Ja und?«
    »Das hier …« Er präsentierte einen flachen rötlichen Gegenstand, etwa halb so groß wie eine Ansichtskarte. »Es hat in seinem linken Schuh unter der Sohle gesteckt.«
    »Und, was ist es?«, knurrte Treidler und betrachtete das dünne Büchlein genauer, das Amstetter zwischen Daumen und Zeigefinger seiner Gummihandschuhe hielt.
    »Ich vermute, dass es sich um seinen Pass handelt.«
    »Ich vermute«, äffte Treidler ihn nach, »dass es sich um seinen Pass handelt. Was soll das, Ernie? Sag mir einfach, wie er heißt.«
    Er musste ein paar Augenblicke auf eine Antwort warten, die recht kleinlaut ausfiel. »Woher soll ich das wissen?«
    »Vielleicht aus seinem Pass …?«
    Amstetter schaute kurz auf seinen Fund. »Das ist nicht so einfach, wie du glaubst.«
    »Ernie …« Treidler atmete aus und bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. »Ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen. Außerdem hatte ich bis vorhin Wichtigeres zu tun. Und dieser ganze Scheiß hier geht mir jetzt schon auf den Sack. Also, Ernie: Ich habe heute Morgen keine Lust auf deine Spielchen.«
    »Aber das sind keine Spielchen! Ich weiß es wirklich nicht. Da stehen nur kyrillische Buchstaben drin.«

ZWEI
    Treidler schielte zu Melchior, die äußerlich regungslos die Szene beobachtete. Neidlos musste er anerkennen, dass sie es innerhalb kürzester Zeit geschafft hatte, die Theorie des Auftragsmordes zu untermauern. Und er? Er hegte lediglich Zweifel an der Tatsache, dass sich jemand der Gefahr einer Mordanklage aussetzte, um diesen alten Mann zu töten. Der Mörder hätte sein Problem mit dem Alten genauso gut aussitzen können.
    »Treidler«, unterbrach Melchior seine Gedanken. »Ich will mit den Leuten reden, die in der näheren Umgebung wohnen. Womöglich haben die etwas mitbekommen.«
    »Das macht bereits die Schutzpolizei. Die Jungs klingeln an jeder Haustür im Umkreis von ein paar hundert Metern.«
    »Ich muss jetzt aber was tun.«
    »Warum? Sie tun doch schon was.«
    »Ich stehe nicht gern im Freien.«
    »Besonders im Winter …« Treidler konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.
    »Für solche Winter bin ich wohl zu leicht gekleidet.«
    Sein Blick wanderte langsam hinunter zu ihren Schuhen. »Sicher – das ist nicht zu übersehen«, entgegnete er und versuchte dabei, Melchiors spöttischen Tonfall von vorhin nachzuahmen.
    »Sind Sie fertig?« Ihre Stimme klang angriffslustig, fast gefährlich.
    »Klar.« Treidler sah sich um. »Lassen Sie uns da drüben in das Wirtshaus gehen. Vielleicht gibt es jemanden, den die Schupos noch nicht befragt haben.« Mit einem schadenfrohen Lächeln fügte er hinzu: »Sie können sich ja derweil an einem Kaffee aufwärmen. Der ist dort bestimmt lecker.«
    Melchior schaute in die Richtung,

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