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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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schmalen Schlitzen und beäugte die Kommissarin mit einem Gesichtsausdruck, den Treidler nicht deuten konnte. Hinter seinem Ohr wackelte ein Bleistift im Takt seiner fortwährenden Kaubewegungen. Schließlich nickte er kaum merklich, ohne das Glas in seiner Hand vom Hahn abzusetzen.
    »Und? Haben Sie etwas gehört oder gesehen?« Melchior blickte den Wirt an.
    Wieder keine Antwort. Sein wortloses Nicken änderte sich in eine Kreisbewegung, die allmählich in ein Kopfschütteln überging. Währenddessen lief immer noch das Bier aus dem Zapfhahn. Augenblicke später strömte der Schaum über den Rand und die Hand des Wirtes. Laut fluchend stellte er den Hahn ab, starrte auf das Glas, dann zu Melchior und wieder auf das Glas. Schließlich führte er das Bierglas kurzerhand zum Mund und trank es in einem Zug aus.
    »Des war doch heut Nacht«, erwiderte der Wirt hinter der Theke, nachdem er das Glas vollständig geleert und seine nasse Hand an der Hosentasche abgewischt hatte.
    Melchior und Treidler nickten.
    Der Wirt stellte das leere Glas auf den Tresen und gab sich nicht viel Mühe, ein Rülpsen zu unterdrücken. »Ich han dia Nacht Bier g’macht. Do kann ich nix höra. D’Maschina sind so laut.« Noch einmal plagte ihn die Kohlensäure. Diesmal hielt er sich immerhin oberflächlich die Hand vor den Mund. »Au a kleins Bierle? S’isch ganz frisch und nit g’filtert. Ich lad Sie ein.«
    »Was hat er gesagt?«, raunte Melchior ihm zu.
    »Dass er nichts gehört hat«, fasste Treidler die Antwort des Wirtes zusammen und nahm die Mütze ab. Er verstaute sie in der Manteltasche und presste ein »Danke, nein« in Richtung des Wirtes hervor. Bei dem Gedanken, ein Bier zu trinken, begann die Übelkeit erneut. Schon aus Eigeninteresse versuchte er, das Gespräch so schnell wie möglich auf das ursprüngliche Thema zu lenken. »Und die letzten Tage? Haben Sie da etwas Auffälliges bemerkt? Autos mit fremden Kennzeichen oder unbekannte Menschen?«
    »Autos … mit fremda Menscha?«, stotterte der Wirt, als ob er die Bedeutung der Worte nicht verstand.
    »Ja, so ähnlich.« Treidler bereute schon, dass er zwei Fragen auf einmal gestellt hatte.
    »Nein.« Der Wirt schüttelte vehement den Kopf. Die Frage schien endlich bei ihm angekommen zu sein. »Des wär mir aufg’falla. Die hond ja auswärtige Kennzeicha.«
    Treidler hob die Augenbrauen und wandte sich von dem Mann ab. Mit vier, fünf großen Schritten trat er an den Tisch mit den Kartenspielern. Vor allen dreien dampfte ein kupferfarbener Wasserbehälter, der ein angetrunkenes Bierglas warm hielt. Erst jetzt sah Treidler das Gewehr auf dem Tisch. Niemand schien sich für die Waffe zu interessieren. Es war, als ob sie immer dort lag. Schlagartig beschlich ihn ein ungutes Gefühl, und er tastete nach seiner Pistole. Hatte er sie überhaupt mitgenommen, oder lag sie noch zu Hause auf dem Wohnzimmertisch? Das Holster war leer. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Erneut blieb sein Blick an der Waffe auf dem Tisch hängen. Diesmal musterte er das Gewehr genauer und erkannte, dass es sich um eine Jagdflinte handelte. Er schaute in die Runde und spürte im gleichen Augenblick, dass von den Männern keine Gefahr ausging. Seine Anspannung fiel ab. Einer der drei musste ein Jäger sein, der seine Waffe lediglich auf dem Tisch abgelegt hatte.
    Treidler atmete tief durch und versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen. Niemand konnte sein leeres Holster bemerkt haben. Weder die Männer noch die neue Kollegin, die inzwischen neben ihm stand.
    »Wie sieht es mit Ihnen aus, meine Herren? Haben Sie etwas mitbekommen?«, fragte Melchior in die Runde.
    Keine Antwort.
    »Hallo? Hört mich jemand?« Sie wurde ungeduldig.
    »Die drei hören Sie vermutlich schon. Nur glaube ich nicht, dass sie mit einer fremden Frau reden«, warf Treidler in einem Anflug von Zynismus ein.
    »Wo leben die? Im neunzehnten Jahrhundert?«
    »Was schauen Sie mich an? Ich weiß es nicht.«
    »Gut. Wenn das hier auf dem Dorf so üblich ist, bitte – ich überlasse Ihnen gern den Vortritt.« Sie zog eine abfällige Grimasse.
    »Und ihr seid nicht draußen?«, wandte sich Treidler an die Kartenspieler und versuchte dabei, seinen schwäbischen Akzent stärker als üblich durchklingen zu lassen.
    »Nein«, lautete die knappe, aber eindeutige Erwiderung aus der Runde. Er konnte nicht erkennen, von wem die Antwort stammte.
    »Warum?«
    »Mir wared scho«, murmelte einer.
    Immer noch schaute keiner von seinen Karten auf. Treidler

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