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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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einen Moment an.
    »Ich nehme Ihnen Ihre Fragen ab«, sagte Melchior dann. »Meine Mutter stammt aus Armenien.« Ihre Stimme klang spöttisch. »Und der Stadtteil von Berlin ist Pankow. Das liegt im Osten. Ich hoffe, Sie haben damit kein Problem.«
    »Ich?«, rief Treidler mit gespielter Entrüstung und stand gemächlich auf. Gerade noch konnte er mit dem Handrücken ein Aufstoßen zurückhalten. Er streckte ihr die Hand entgegen und versuchte zu lächeln. »Nie im Leben. Ich bin ein friedliebender Mensch – ganz bestimmt.«
    Sie verharrte einen Augenblick, ergriff die angebotene Hand und lächelte vorsichtig zurück. Wieder beäugten sie sich.
    »Ziemlich kalt«, sagte Melchior schließlich schlotternd und wandte sich dem Toten auf der Bank zu. »Wer hat ihn denn gefunden?«
    »Der Junge da vorne.« Treidler schob die Hände zurück in die Manteltaschen.
    »Ein Schüler?«, fragte sie.
    »Wie eine Einkaufstasche sieht der Schulranzen auf seinem Rücken wohl nicht aus.«
    Melchior zögerte kurz. »Verdammt, ist es hier immer so eisig?«
    »Ja.« Treidler starrte mit gespielter Verwunderung gen Himmel. »Besonders im Winter.«
    »Also, was wissen wir?«
    »Das kann Ihnen der Amstetter sicherlich besser erzählen. Ich bin gerade erst gekommen.«
    »Das ist nicht zu übersehen.« Ihr Gesicht zeigte keine Regung, während sie ihn von oben bis unten musterte.
    Treidler zog die Augenbrauen hoch und strich sich über seine Bartstoppeln am Kinn. Verflucht noch mal. Warum musste er ausgerechnet an solch eine Giftschleuder geraten? Noch dazu an eine aus dem Osten, die schneller redete, als er zuhören konnte.
    »Er wurde hier erschossen …«, fuhr Melchior fort, anstatt sich an Amstetter zu wenden.
    »Ich weiß.«
    »… vor ein paar Stunden.«
    »Ich weiß.«
    »Ein aufgesetzter Schuss.«
    »Ich weiß. Erzählen Sie mir endlich irgendwas, das ich nicht weiß.«
    »Das dürfte nicht allzu schwer sein«, gab Melchior zurück. Verbissen hielt sie mit einer Hand den Kragen zu, um sich vor der Kälte zu schützen.
    »Na, dann lassen Sie mal hören, Frau …«
    »Wir haben es mit einem Russen zu tun«, unterbrach Melchior ihn.
    »Was?«, stieß Treidler aus und schaute verdutzt drein. »Woher stammt denn diese Eingebung? Haben Sie das heute Nacht geträumt?«
    »Er trägt russische Schuhe.« Sie verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln und deutete mit dem Kinn auf die rotbraunen Stiefel des alten Mannes. »Ich kenne dieses Schuhmodell.«
    »Ist Ihr Vater Schuhmacher?« Treidler betrachtete die unförmigen Schuhe genauer. In der Tat, sie sahen ungewöhnlich aus. Symmetrische Muster verzierten das Material, das nach billigem Kunststoff aussah, und um den dick gefütterten Schaft verlief ein breiter Besatz aus hellem Fell. Fast wie die Moonboots, die ihn seine Mutter früher immer gezwungen hatte anzuziehen, sobald etwas mehr als ein paar Zentimeter Schnee auf der Straße lagen. Nur hatten die hier einen Reißverschluss an der Innenseite – und sahen noch weitaus hässlicher aus.
    Melchior erklärte: »Mein Großvater trug genau die gleichen.«
    Treidler tat ihre Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Das bringt uns kaum weiter. Drüben in der Stadt wohnen viele russische Spätaussiedler.«
    Melchior schüttelte vehement den Kopf. »Das meinte ich nicht, Treidler.«
    »Was dann?«
    »Das ist kein Spätaussiedler. Der Mann hat nicht in Deutschland gewohnt – zumindest nicht lange.« Sie ließ ihre Worte einen Augenblick wirken. »Ich denke, er ist erst vor Kurzem aus Russland hierhergekommen.«
    »Wie kommen Sie darauf?« Treidler wusste nicht, was er von der Frau halten sollte.
    »Nur wenige Russen in Deutschland ziehen heutzutage solche Stiefel an. Das sind die Schuhe der armen Leute. Auch drüben muss man ziemlich weit nach Osten gehen, um noch jemanden mit diesem Schuhwerk anzutreffen.«
    Treidler hörte schon nicht mehr richtig hin. In Gedanken war er bei Amstetters Vermutung mit dem Killer. Hatten sie es doch mit einer Hinrichtung zu tun? Einer Art Mafiamord?
    »Zieht ihm den linken Schuh aus«, vernahm er plötzlich Melchiors fordernde Stimme.
    »Was?« Treidler schaute die neue Kollegin in ihrer dünnen Lederjacke verwirrt an. »Wollen Sie jetzt auch noch seine Socken begutachten? Vermutlich behaupten Sie gleich, dass Sie die Nationalität durch den Geruch bestimmen können? Und lassen Sie mich raten: Es sind russische Socken …«
    »Müssen Sie zu jeder meiner Anweisungen einen dämlichen Kommentar abgeben?«
    Das war

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