Schwarzer Regen
weiteren hatten mitten im Feierabendverkehr einen Stau von mehreren Kilometern Länge verursacht.
Als Lennard das Stauende erreichte, war es kurz nach fünf. Er überlegte, in Waltershof abzufahren und den Weg durch das Hafengebiet und die Köhlbrandbrücke bis zu den Elbbrücken zu nehmen, aber dieser Umweg würde ihn |363| vermutlich ähnlich viel Zeit kosten, als wenn er einfach in der endlos langen Autokolonne blieb und sich im Schritttempo vorwärts quälte.
Es war zum Verzweifeln. Während Eva in Lebensgefahr schwebte und die Verschwörer ihre Spuren beseitigten, saß er in einem ganz gewöhnlichen Autobahnstau fest! Gleichzeitig verstärkten sich die Schmerzen in seiner Seite zu einem Pulsieren, als bohre ihm jemand rhythmisch ein Messer zwischen die Rippen. Sollte er jemals die Gelegenheit dazu bekommen, würde er es Pawlow mit gleicher Münze zurückzahlen!
Das Handy klingelte. Lennard war so überrascht, dass er zusammenfuhr, was eine erneute Schmerzwelle durch seinen Körper schickte. Er ging ran. »Ja?«
»Hallo, Lennard.«
»Eva! Gott sei Dank! Bist du okay?«
»Mir geht es gut. Danke für deine Nachricht! Wo bist du?«
»In einem gottverdammten Stau, kurz vor dem Elbtunnel! Ich bin unterwegs in eure Villa, um die Dokumente zu holen. Eva, Pawlow steckt mit deinem Mann unter einer Decke!«
»Ich weiß. Ich hab ihn gesehen. Dank deiner Warnung habe ich mich in der Nähe des Hotels in ein Café gesetzt und den Eingang beobachtet. Dieser Scheißkerl! Mein Gott, ich war ja so blöd! Wenn du nicht gewesen wärst … Da war noch ein zweiter Typ, in so einem dunklen Mercedes. Er muss mich durch das Restaurantfenster gesehen haben. Jedenfalls ist er plötzlich ausgestiegen und auf mich zu gekommen. Da bin ich getürmt. Zum Glück waren genug Leute auf den Straßen, so dass ich ihnen entwischt bin.«
»Wie sah er aus?«
»Groß, ziemlich kräftig, mit blondem Pferdeschwanz. |364| Einer von Mirkos Leuten, glaube ich. War ein paarmal dabei, wenn Heiner einen öffentlichen Auftritt hatte. So eine Art Bodyguard.«
»Wo bist du jetzt? Soll ich dich abholen?«
»Nein, das kostet nur Zeit. Ich bin noch in Lüneburg, bewege mich durch die Stadt; so ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie mich erwischen. Wenn Mirko einer von Heiners Komplizen ist, dann ist die Sache noch viel größer, als ich befürchtet hatte. Wir müssen schnell handeln! Ruf mich an, sobald du die Dokumente hast. Ich hab mir ein Prepaid-Handy gekauft, damit sie mich nicht orten können. Die Nummer müsstest du auf dem Display haben.«
»Ja. Gute Idee mit dem Handy. Ich melde mich.«
»Lennard, sei vorsichtig! Heiner kommt normalerweise erst spät nach Hause, aber …«
»Ja, ich weiß.«
»Viel Glück!«
»Das werde ich brauchen.« Er legte auf. Das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer, Sprechen war eine enorme Anstrengung. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er hatte das Gefühl, dass die gebrochene Rippe irgendetwas in seinem Inneren zerrissen hatte. Doch er konnte sich jetzt keine Schwäche leisten. Seine Schmerzen waren schließlich gar nichts gegen die Qualen, die Ben hatte ertragen müssen.
Endlich durchquerte er den Tunnel und fuhr in Othmarschen ab. Zehn Minuten später stand er vor der Villa des Internetmilliardärs.
|365| 72.
»Bei uns im Studio ist jetzt Ludger Freimann, Mitglied des Parteivorstands und Landesvorsitzender der PDV in Niedersachsen. Herr Freimann, in der vergangenen Nacht wurden in Deutschland über 120 Brandanschläge verübt. Mehr als zwanzig Menschen sind dabei gestorben, über hundert wurden verletzt. Ist es das, was Sie wollten, als Sie am Mittwoch gefordert haben, ›Deutschland muss brennen‹?«
»Zunächst möchte ich im Namen der Partei des Deutschen Volkes den Opfern der Brandanschläge und ihren Angehörigen mein aufrichtiges Mitgefühl aussprechen. Die PDV verurteilt Gewalt gegen Unschuldige. Ich fordere alle Deutschen auf, im Namen unseres Volkes Toleranz und Gastfreundschaft gegenüber allen zu zeigen, die als Fremde in unserem Land leben!«
»Aber mit Ihren fremdenfeindlichen Sprüchen und Forderungen haben Sie doch selbst zur Gewalt gegen Ausländer aufgefordert!«
»Sehen Sie, es sind diese Behauptungen der Medien, die Konflikt und Gewalt in unserem Land schüren! Niemand hat gefordert: ›Deutschland muss brennen‹. Mein Freund Gerd Wesel hat wörtlich gesagt …« Er holte einen Zettel hervor und las demonstrativ den Text ab: »›Doch mein Herz brennt in Liebe für mein Land,
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