Schwarzer Regen
und es wird immer weiter brennen für Deutschland!‹ Wenn diese Liebe für unser Land ein Vergehen ist, dann bekenne auch ich mich schuldig!«
»Gerd Wesel ist heute Nachmittag tot aufgefunden worden. Offensichtlich wurde er von Menschen, die Opfer der Brandanschläge waren, verschleppt und ermordet. Halten Sie das für einen Irrtum?«
|366| »Der Irrtum ist, dass Sie, wie übrigens auch die Bundesregierung, mehr Verständnis für Mörder und Terroristen aufbringen als für deren Opfer! Gerd Wesel hat die Katastrophe von Karlsruhe nur knapp überlebt. Er hat sich mit Tapferkeit und Mut seinem Schicksal entgegengestellt. Ich habe ihn als guten Freund und Kameraden kennenlernen dürfen. Dass er für seine Überzeugung, für die Liebe zu seinem Land sterben musste, erfüllt mich mit tiefer Trauer. Dass aber Sie so tun, als hätte er diesen Tod verdient, macht mich wütend!«
Der Moderator, ein junger Mann mit krausen Haaren und Brille, erbleichte. »Ich habe nie gesagt, dass er …«
»Nein, gesagt haben Sie das nicht, aber angedeutet«, sagte Freimann mit der schneidenden Stimme eines Staatsanwalts, der den Angeklagten in die Enge treibt. »Sie haben gerade eben nahegelegt, dass die Brandanschläge der vergangenen Nacht Gerd Wesels Schuld gewesen seien und seine Ermordung ein Akt gerechtfertiger Rache!«
»Ich verbitte mir diese Unterstellung! Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Ihre Partei eine Mitverantwortung für den Tod von 23 Menschen trägt.«
»Ach ja? Nun gut, ich gebe zu, wir haben den Zorn der Menschen nicht besänftigen können. Wenn uns das zu Mitverantwortlichen für den Tod von 23 Ausländern macht, dann stelle ich mich dieser Verantwortung. Aber was ist mit dem Schicksal der über 200 000 Deutschen, die in Karlsruhe und Umgebung radioaktiv verstrahlt wurden? Viele von ihnen ringen bereits mit dem Tod, andere sind für ihr Leben gezeichnet. Wer trägt dafür die Verantwortung? Ich kann es Ihnen sagen! Unsere Regierung hat sich in der Vergangenheit hartnäckig geweigert, die Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die wir …«
»Herr Freimann, wenn ich Sie unterbrechen darf, über die Opfer von Karlsruhe ist im Deutschen Fernsehen nun wirklich oft genug …«
|367| »… die wir bereits seit Jahren gefordert haben. Warum reden wir nicht darüber? Warum regen Sie sich nicht über das Versagen unserer Regierung auf, die den Schutz ihrer eigenen Mitbürger sträflich vernachlässigt hat? Ich betone noch einmal: Wir verabscheuen Gewalt gegen Unschuldige. Ich fordere alle Deutschen auf, Ruhe zu bewahren und friedlich für einen Neuanfang in unserem Land zu demonstrieren. Die PDV tritt für ein friedfertiges, gastfreundliches, aber auch sicheres und wehrhaftes Deutschland ein. Den Ausländern in unserem Land sage ich: Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass viele Menschen ihren Zorn über den feigen Terroranschlag nicht immer kontrollieren können. Es ist momentan schwierig, für Ihre Sicherheit zu garantieren – unsere Polizei, die jahrelang kurzgehalten wurde, ist einfach überfordert. In Ihrem eigenen Interesse kann es sinnvoll sein, wenn Sie unser Land für einige Zeit verlassen, bis …«
»Das ist doch wohl unglaublich! Ich untersage Ihnen, in unserem Sender öffentlich dazu aufzurufen, dass unsere ausländischen Mitbürger das Land verlassen sollen!«
»Sie untersagen es mir, ja? Sie geben der PDV die Schuld, wenn Ausländer zu Schaden kommen, aber Sie untersagen mir, sie zu warnen! Das also ist die sogenannte Meinungsfreiheit, die Sie mit Ihrem öffentlich-rechtlichen Sender …«
»Meine Damen und Herren, das war Ludger Freimann von der PDV. Ich weise noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass im Rahmen dieser Sendung geäußerte Meinungen nicht der Meinung der Redaktion oder des Senders entsprechen. Unsere ausländischen Mitbürger fordere ich auf, Ruhe zu bewahren. Bitte, verlassen Sie unser Land nicht! Wir brauchen Sie hier, und die überwältigende Mehrheit der Deutschen heißt Sie in unserem Land willkommen! Der Bundesinnenminister hat heute noch einmal versichert, |368| dass die Sicherheitskräfte im ganzen Land mobilisiert worden sind, um weitere Brandanschläge zu verhindern. Nun zum nächsten Thema …«
Friedhelm Langen schaltete den Fernseher aus. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann starrte er wieder auf die Verse, die vor ihm ausgebreitet lagen. Er begann, noch einmal alles von vorn durchzulesen. Doch sosehr er sich wünschte, er könne im Irrtum sein: Wenn
Weitere Kostenlose Bücher