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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Oberbauch.«
    Rachel nahm den Dolch entgegen und hielt ihn unter das Bündel, in dem Hannah lag.
    Avram drehte sich zum Zaun um. »Hör zu, Jonas«, flüsterte er. »Wenn du nach Palästina kommst, bring dieses Kind zu deiner Mutter. Bitte Leah, es wie deine Schwester zu erziehen. Verstehst du?«
    Stern kämpfte darum, die Herrschaft über seine Stimme wiederzuerlangen. »Ja.«
    Er wollte gerade Rachel das kleine Mädchen abnehmen, als er drei SS-Männer am Hintereingang des Lagers stehen sah. Sie konnten den Platz überblicken, den die Frauen überqueren mußten, um den E-Block zu erreichen. »Sieh mal dahinten!« flüsterte er.
    »Mein Gott«, sagte Avram. »Was machen die da?«
    Stern konnte weder Rangabzeichen noch Gesichter erkennen, nur zwei Männer, die innerhalb des Tores standen, rauchten und mit der Wache redeten, die draußen stand. Er sah auf seine Uhr. 19:35. Er sollte schon längst aus dem Haupttor fahren.
    »Glaubst du, daß sie noch rechtzeitig weggehen werden?« fragte Avram.
    »Ich weiß es nicht, Vater. Begleite mich zum Wagen. Mit dir in dieser Uniform können wir einfach hier wegfahren.«
    Rachel packte Jonas' Arm. »Das können Sie nicht tun! Sie können Hannah nicht zurücklassen!«
    »Wir nehmen sie mit.«
    Die Panik seiner Mutter weckte das Kind, und es wimmerte leise in der Dunkelheit. Avram legte Rachel die Hand auf den Arm. »Keine Angst«, sagte er. »Jonas, vergiß die Männer am Tor. Nimm das Kind, und geh. Der E-Block war sowieso nur eine minimale Chance.«
    Stern starrte die drei SS-Männer an, und seine Gedanken überschlugen sich.
    Avram hob die Maschinenpistole des toten SS-Mannes hoch. »Wenn sie nicht weggehen, werde ich versuchen, sie zu töten.«
    Noch während Avram diese Worte aussprach, entdeckte Stern zwei weitere SS-Männer. Sie standen im Schatten der Krankenhauswand und inspizierten den blankpolierten schwarzes Mercedes, der so geheimnisvoll im Lager aufgetaucht war. In diesem Moment war ihm klar, daß er die Gaskanister nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Entweder schaffte McConnell es oder niemand.
    Er drängte sich durchs Tor und umarmte seinen Vater so fest er konnte, fest entschlossen, diesen Augenblick für den Rest seines Lebens im Herz zu behalten. »Ich werde dich nie vergessen«, sagte er mit erstickter Stimme. Dann nahm er seinem Vater die Waffe des toten Postens weg und warf sie in den Schnee. »Diese Waffe hat keinen Schalldämpfer«, erklärte er. »Nimm die hier.«
    Er gab Avram seine Schmeisser.
    Avram wollte etwas sagen, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst. Seine Augen leuchteten kurz auf, als habe er es sich anders überlegt, doch dann schob er seinen Sohn von sich weg. »Geh!« sagte er.
    »Haltet das Kind bereit«, sagte Stern. »Wenn ich in fünf Minuten noch lebe, dann komme ich zurück und hole sie.«

42

    Jonas Stern marschierte über den gefrorenen Appellplatz wie Erwin Rommel, der das Afrikakorps inspizierte. Seine einzige Waffe war seine Walther PPK. Seine schallgedämpfte Schmeisser hatte er seinem Vater gegeben und seinen SS-Dolch Rachel Jansen. Wenn einer der SS-Leute am Tor an seiner Zigarette zog, beleuchtete die Glut der Zigarette die obere Hälfte seines Gesichts. Im Licht sah Stern, daß zwei Posten einfache Sturmmänner waren und einer ein Hauptscharführer. Die Männer hatten ihn noch nicht bemerkt.
    »Hauptscharführer!« bellte er und sprach den ranghöchsten Mann an. »Sind Sie es nicht gewohnt, ranghöhere Offiziere zu grüßen?«
    Hauptscharführer Günther Sturm sah verblüfft auf die graugrüne Uniform und das Eiserne Kreuz Erster Klasse. Ein wütender SD-Sturmbannführer war das letzte, was er an der Hintertür des Konzentrationslagers Totenhausen erwartete.
    »Sturmbannführer!« rief er. »Heil Hitler!«
    Die Soldaten folgten seinem Beispiel.
    Stern hob das Kinn und sah hochmütig auf den stiernackigen Hauptscharführer hinunter. »Sie sind Hauptscharführer Sturm?«
    Sturms Augen weiteten sich. »Jawohl, Sturmbannführer.«
    »Machen Sie sich nicht in die Hose. Ich bin hinter einem größeren Fisch her, als Sie es sind. Ich bin hier, um Sturmbannführer Wolfgang Schörner wegen Verschwörung und Geheimnisverrats zu verhaften. Ich brauche Ihre Unterstützung, Hauptscharführer, und auch die Ihrer Leute. Obergruppenführer Kaltenbrunner in Berlin wird Ihre Hilfe zu schätzen wissen.«
    Sturms Gesicht erschlaffte vor Verblüffung; dann verzog es sich zu einer boshaften Fratze. »Sturmbannführer«, sagte er in

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