Schwarzer Tod
schmeichelndem Tonfall, »ich beschwere mich nicht über Vorgesetzte, aber ich hatte den Sturmbannführer schon selbst in Verdacht.«
»Und warum haben Sie Ihren Verdacht nicht gemeldet?«
Sturm war einen Augenblick überrumpelt. »Ich habe nach Beweisen gesucht, Sturmbannführer. Man beschuldigt einen Ritterkreuzträger nicht so ohne weiteres.«
»Herr Schörner wird sein Ritterkreuz nicht mehr lange tragen, Hauptscharführer.«
Sturm sah die beiden Soldaten an, immer noch erstaunt über sein Glück. »Was sollen wir tun, Sturmbannführer?«
Stern sah auf seine Uhr. 19:37. Die Frauen würden in 13 Minuten losgehen. Jetzt bedauerte er, daß er seinem Vater die schallgedämpfte Schmeisser gegeben hatte. »Hier ist die Lage, Hauptscharführer: Wir glauben, daß alliierte Kommandos vorhaben, dieses Lager heute abend anzugreifen, um Herrn Doktor Brandt zu ermorden und sein Labor zu zerstören. Wir glauben, daß Schörner diesen Angriff durch Kontakte mit dem polnischen Widerstand arrangiert hat.«
Günther Sturm konnte seine Erregung kaum verbergen. »Der Herr Doktor hatte also doch recht!«
»Verstärkungen des Sicherheitsdienstes werden in etwa einer halben Stunde aus Berlin hier eintreffen«, fuhr Stern fort. »Aber mit Ihrer Hilfe kann ich Schörner sofort verhaften und ihn aus dem Lager bringen, um zu verhindern, daß er diesen Kommandos in irgendeiner Weise helfen kann. Sind Sie bereit?«
Sturm riß eine Luger aus dem Gürtel und fuchtelte damit herum. »Ich weiß, wie man mit Verrätern umgeht, Sturmbannführer. Wenn Schörner sich widersetzt, schieße ich ihm den Kopf weg!«
Stern nickte. »Nehmen Sie diese Männer auch mit. Schörner ist gefährlich.«
Sturm wirkte plötzlich verunsichert. »Ich muß einen Mann zurücklassen, Sturmbannführer. Der Kommandant könnte mich erschießen lassen, wenn ich dieses Tor unbewacht lasse.«
Stern starrte den Soldaten an, der auf der anderen Seite des Tores stand. »Das ist Ihre letzte Zigarettenpause«, sagte er. »Lassen Sie diese Bäume nicht aus den Augen. Die Kommandos werden vermutlich von den Hügeln aus angreifen. Ist das klar?«
»Jawohl, Sturmbannführer!«
Der graugesichtige SS-Mann wirbelte herum und richtete den Blick auf die dunklen Bäume, die ihm noch vor einem Augenblick so friedlich erschienen waren.
»Zur Kommandantur, Hauptscharführer.«
Stern ging einen Schritt vor den beiden SS-Männern, als sie den Appellplatz überquerten.
»Sollte ich vielleicht meine Hunde am hinteren Zaun patrouillieren lassen?« schlug Sturm vor.
»Dafür besteht noch keine Veranlassung«, antwortete Stern. Das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren Kampfhunde, die um den E-Block schlichen. »Wir lassen die Hunde erst im letzten Moment los. Wir wollen, daß sie frisch sind.«
»Sehr gut, Sturmbannführer.«
Sie gingen an der Rückseite des Kinos entlang, das an die Kommandantur angeschlossen war. Als sie die Vordertür der Kommandantur erreichten, wurde sie geöffnet. Ein hochgewachsener Offizier in der Uniform der Waffen-SS und mit einer Augenklappe trat heraus.
Wolfgang Schörner blieb wie angewurzelt stehen, als er die SD-Uniform sah.
Stern zog ruhig seine Walther und richtete sie auf den erstaunten Sturmbannführer. »Sturmbannführer Wolfgang Schörner, auf Befehl des Führers stelle ich Sie unter Arrest.«
Sturmbannführer Schörner starrte verblüfft Hauptscharführer Sturm an, der seine Luger gezogen hatte; dann glitt sein Blick wieder zu Stern zurück. »Wie bitte, Sturmbannführer?«
»Sie haben mich schon verstanden. Nehmen Sie ihm die Waffe ab, Hauptscharführer.«
Schörner rührte sich nicht, als Sturm ihm die Luger aus dem Halfter riß. »Wer ist dieser Mann, Hauptscharführer?«
Stern hob die Hand. »Ich bin Sturmbannführer Stern vom Sicherheitsdienst in Berlin, wie Sie ja wohl selbst sehen können.«
»Ich habe keine Nachricht über Ihre Ankunft erhalten.«
»Natürlich nicht. In Berlin wird sich alles klären.«
»In Berlin?« Schörners gesundes Auge glitt über Sterns Uniform und nahm jede Einzelheit auf, jeden Knopf, jedes Abzeichen, jede Falte und jeden Fleck. »Hauptscharführer«, sagte er. »Der Sturmbannführer scheint seinen Dolch verloren zu haben. Finden Sie das nicht interessant?«
Stern winkte mit seiner Pistole Richtung Krankenhaus, wo der Mercedes wartete. »Zu meinem Wagen, Hauptscharführer«, sagte er gepreßt.
Aber Günther Sturm sah Schörner unverwandt an. Sturm kannte das Gesicht der Schuld, und so sehr
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