Schwarzer Valentinstag
Jahr in das Badehaus, wo ihr in einem Bottich sitzt und das Wasser verdreckt, in dem ihr sauber werden wollt. Dann seid ihr vielleicht gewaschen, aber nicht einmal sauber.« Er hatte die Mundwinkel nach unten gezogen.
Esther hatte ihrem Bruder die Hand auf den Arm gelegt: »In der Mikwe wird man nicht sauber, dort tief unten im Kristall des Erdgrundes wird man rein.«
»Sauber? Rein?« Christoph war verwirrt.
»Sauber ist man vor den Menschen«, sagte Esther, »und rein ist man vor Gott.«
M ORD
»Bist du sichert Kann man sich darauf verlassen?« Der Herr stampfte durch den Raum. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und kritzelte mit einem Stück Kreide auf einem Brett herum, das an der Wand befestigt war.
Der kleine dickliche Mann vor ihm mit den runden Augen war sich seiner Sache sicher: »Er war es. Die Beschreibung stimmt genau: Schwarze buschige Haare, die er allerdings in der Zwischenzeit geschoren hat, was ich bestätigen kann. Dazu blaue Augen, was nicht häufig ist. Und: Er hat sich nicht wie ein Bettler benommen. Es war auffällig. Auch das kann ich bestätigen.«
»Du hast ihn schon einmal laufen lassen!«
»Ja, aber jetzt haben wir ihn.«
»Und? – Haben wir ihn, haben wir ihn! Was ist mit ihm geschehen. Hat er ihn – «
»Ja, mein Gewährsmann hat ihn erstochen und in die Ill gestoßen, nachts.«
»Der Stelzenklaus?«
»Nein, ein anderer, er ist zu mir gekommen – einige Bettler kennen mich.«
»Und wo?«
»Er wurde bei den gedeckten Brücken an einem Fischerpfahl angeschwemmt.«
»Und wer bürgt mir für die Wahrheit?«
»Ich, wenn der Herr meine Stimme – «
»Richtig! Du bürgst, in jedem Sinne des Wortes. Das kann ich dir sagen! Wenn ich erfahre, dass der Kerl noch lebt… Und merk dir:
Ich erwische dich überall. So weit kannst du gar nicht laufen, dass ich dich nicht erwische! Hast du das verstanden?«
»Ja, Herr. Aber es ist so. Ich weiß es wirklich. Vor ein paar Wochen lag auch ein toter Bettler in der Ill.«
»Gut.«
»Und, wenn ich den Herrn bitten dürfte, das Geld! Es war Lohn ausgemacht. Ich habe ja auf des Herrn Befehl Geld ausgesetzt. Mein Gewährsmann will es von mir. Und ich habe auch Auslagen gehabt. Wenn ich also bitten dürfte – «
»Wie viel?«
»Sechs Gulden, wenn ich den Herrn erinnern darf, sechs Gulden, zwei für mich, drei für den Gewährsmann, einen für den Stelzenklaus, dass er schweigt.«
»Zu viel!«
»Es war so vereinbart – «
»Vereinbart! Gesindel.« Der Kaufherr wischte mit einem Ruck das Gekritzel von der Tafel.
»Herr, wenn ich bitten darf, ich muss den Gewährsmann bezahlen und ich hatte Auslagen.«
»Gut, drei Gulden. Das ist mehr als genug für solches Pack, wie ihr es seid.«
Ergriff in seine Geldtasche, die an seinem kostbaren Gürtel befestigt war, holte drei Gulden heraus und warf sie dem Mann vor die Füße: »Zwei für ihn und einen für dich. Das reicht! Dem Stelzenklaus drohst du. Und jetzt pack dich. Ich habe scharfe Hunde im Hof.«
Ein Fischer hatte ihn gefunden. Früh am Morgen hing er angetrieben zwischen Netzen an einem Pfahl in der Ill.
Philo erfuhr es von einem Bettler: »Schon der zweite diesen Sommer. Man ist seines Lebens nicht mehr sicher hier. Da brauchen wir nicht mehr auf die Pest zu warten.« Er bekreuzigte sich.
»Wo?«
»Drüben, ziemlich weit oberhalb des ersten Mühleneinlaufs, an einem Pfahl bei den Fischernetzen.«
»Wieder ein Bettler?«
»Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Ertrunken?«
»Nein, sie sagen, von hinten erstochen und ins Wasser geschmissen.«
Ein anderer Bettler kam hinzu: »Das war’s dann. Vorbei mit dem großen Geld.«
»Das große Geld?«, fragte Philo verwundert. »Welches Geld denn?«
»Welches Geld! Frag nicht so blöd. Die sechzig Gulden.«
»Welche sechzig Gulden?« Philo und der erste Bettler sprachen gleichzeitig.
»Das Geld für den gesuchten Mörder, den Jungen. Fragt nicht so blöd.«
Philo krampfte die Hände zusammen: »Nicht sechzig – meinst du sechs Gulden?«
»Sechzig oder sechs. Was macht das für einen Unterschied!«
Es war ein trüber Morgen. Wie Rauch trieben Dunstschwaden über dem Fluss.
»Wo ist er?« Philos Mund war trocken.
»Sie haben ihn gleich weggebracht. Ich glaube nicht, dass sie ihn auf den Friedhof bringen – eher unter den Galgen oder auf den Schindanger.«
»Wo hat man ihn denn genau gefunden?« Philo atmete hastig. Freilich – konnte man diesen Kerl ernst nehmen, der nicht einmal den Unterschied zwischen
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