Schwarzer Valentinstag
ja sehr viel fraß, was übrigens für Isaak kein kleines Problem war. Aber die Juden halfen ihm auch hier und veranstalteten Sammlungen für Abulabas: So konnte Isaak sich und Abulabas durchfüttern den ganzen weiten Weg. Und ab und zu hat er geredet mit dem weißen Elefanten, und Abulabas hat wohl auch geredet mit ihm, und es ist anzunehmen, dass sie sich verstanden haben, die beiden.«
»Und er ist nie auf ihm geritten?«
»Nein, Nachum, da er sich von niemand besteigen ließ, konnte auch Isaak nicht auf ihm reiten. Er ging immer neben ihm im Staub der Straße, im Schlamm, im Dreck. Er begegnete unzähligen Völkern. Und wenn sie den Juden gesehen hätten in seinem Schmutz und seiner Niedrigkeit, hätten sie gelacht und mit Steinen nach ihm geworfen. Aber sie sahen nur den weißen Elefanten. Und wenn einer doch den Juden sah: Man wirft nicht mit Steinen auf einen, mit dem ein weißer Elefant geht.«
»Ist er nicht mehr mit dem Schiff gefahren?«
»Vielleicht – nein, Esther, ich glaube, das konnte er nicht – eben wegen Abulabas. Kein Schiffer hätte Abulabas auf sein Schiff genommen. Vielleicht hätte aber auch Abulabas nicht gewollt.«
»Und die anderen Gesandten?«
»Vergangen wie die Schönheit des Mondes! Erschlagen von Räubern und Gesindel, gestorben an Krankheiten und Seuchen, gefangen und in der Wüste verirrt und jämmerlich verdurstet oder verhungert, als Sklaven verkauft oder ausgeraubt und verzweifelt und bettelnd irgendwo umgekommen. Nicht einer von den großmächtigen, reichen, prächtigen Herren hat sein Heimatland je wieder gesehen. Nur Isaak ist zurückgekommen. Angetan mit seinem entsetzlich dreckigen schwarzen Kaftan, einen riesigen, schmierigen Lederbeutel auf dem Rücken, der so gestunken hat, dass man Isaak nicht einmal in die schmutzigste Herberge lassen wollte.«
Esther lachte und hielt sich zum Spaß die Nase zu.
»Und so ist er gekommen vom Zweistromland nach Ingelheim am Rhein, den Beutel auf dem Rücken. Und unter dem Staunen des ganzen kaiserlichen Hofes ist er, den weißen Elefanten Abulabas an einem Seil hinter sich führend, auf dem Kaiserhof eingezogen.«
Esther klatschte in die Hände.
»Und er ist hingetreten vor den großmächtigen Kaiser des Abendlandes. Der hat zuerst Abulabas angeschaut und dann Isaak. Dann kam Abulabas in die kaiserlichen Ställe und ich weiß nicht,was aus ihm geworden ist. Den Isaak aber hat der Kaiser gefragt: ›Isaak, wo ist meine Gesandtschaft?‹ ›Tot‹, hat Isaak gesagt. ›Und was ist mit dem Kalifen Harun al-Raschid?‹ Da hat Isaak seinen schmierigen, dreckigen Beutel aufgemacht und hat Edelsteine, Gold, Perlen und viele andere Kostbarkeiten ausgepackt, wie man sie weder am Rhein noch sonst irgendwo im Abendland jemals gesehen hatte.«
»Eine sehr schöne Geschichte hast du uns erzählt und ich weiß,dass sie wahr ist«, sagte Hannah.
Esther drehte sich unter der Türe noch einmal um: »Ich glaube, ich träume heute Nacht von einem weißen Elefanten.«
Elieser war weggereist: Er musste in der kaiserlichen Kanzlei in Prag das Bürgerrecht für sich und seine Familie kaufen. Nachum sagte zornig, dass es für einen Juden zwanzigmal so teuer sei wie für einen Christen.
»Blutgeld!«, sagte er mit der steilen Falte auf der Stirn. »Blutgeld?«, mischte sich Löb ein. »Was soll das jetzt?«
»Sie lassen uns zahlen, wo sie nur können«, sagte Nachum, »das Blut ihrer Kinder saufen wir, sagen sie, wir fangen ihre Kinder, schlachten sie, sagen sie, sammeln ihr Blut und trinken es und kochen unsere Speisen damit, sagen sie und bestrafen uns dafür. Dabei dürfen wir nicht einmal Fleisch in der Milch der Tiere kochen. So ist das. Wir dürfen nach unserem Gesetz gar kein Blut essen – ihr esst und trinkt Blut!«
Für Christoph war es neu, dass Fleisch nicht in Milch gekocht werden durfte: »Da ist doch nichts dabei.«
Löb erklärte es ihm: »Für uns Juden ist das Leben etwas Heiliges.«
Christoph erinnerte sich an das Wort des alten Abraham, das ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hatte: Wer ein Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt. Es war zwar sehr schön für ihn, aber so recht verstanden hatte er es nicht.
Löb fuhr fort: »Es ist schlimm, dass wir Tiere töten müssen, damit wir leben können. Du musst bedenken, dass unsere Väter in der Wüste jeden Tag bei ihnen waren. Sie halfen den Tiermüttern bei der Geburt des jungen Viehs, sie führten die Tiere von einem Weidegrund zum anderen, sie gaben ihnen
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