Schwarzer Valentinstag
nach vorne gebeugt.
»Das hätte ich gleich gesagt«, fuhr Christoph fort. »Als Philo ihn zum Geständnis des Mordes gebracht hatte und nun weiterfragte – da war auf einmal eine Mauer. Der Frosch wurde sehr sicher, frech und übermütig und keine Drohung half mehr. Plötzlich war es, als hätte er mächtige Helfer, sodass er vor uns keine Angst zu haben brauche.«
»Was genau hatte denn Philo gefragt, als der auf einmal so sicher wurde?«, fragte Löb gespannt.
»Ich war ja nicht dabei, schade, dass Philo nicht da ist, ihr könnt ihn ja noch selbst fragen. Aber ich habe es so verstanden, dass der Kerl wirklich Angst hatte, als Philo ihm drohte, dass wir sein Geschäft mit den Alraunen zerstören würden. Auch die Drohung, ihn an den Galgen zu bringen, hatte anfänglich offenbar noch Wirkung gezeigt. Aber als Philo nach dem Auftraggeber fragte, schien er wie verwandelt, herausfordernd und selbstsicher.«
»Was heißt das?«
»Vater, haben wir nicht wichtigere Dinge zu besprechen?«, unterbrach Nachum finster.
»Die Jugend kann noch nicht erkennen, was wichtig ist, lieber Nachum. Du musst dich noch ein klein wenig gedulden«, sagte Abraham müde.
»Ich kann es sagen«, antwortete Esther. »Als er persönlich bedroht war, bekam er es mit der Angst zu tun. Als aber der Auftraggeber hineingezogen wurde, da wusste er, dass der ihm helfen würde, weil sich dann der Auftraggeber selbst verteidigt.«
»Und das wohl mit Macht, ich meine mit wirklicher Macht«, sagte Löb, »auch hier ist wieder diese Macht spürbar, vor der wir immer wieder stehen und die so undurchschaubar ist.«
»Man rennt dagegen an wie gegen eine Mauer, von den Zahlen ganz zu schweigen.«
»Hat der Frosch sonst nichts gesagt?«
»Er hat noch etwas von einem kleinen Turm gesagt.«
»Kleinen Turm?«
»Als Philo ihn nach dem leeren Haus gefragt hat, das in der Nacht so erleuchtet war, ist er erschrocken: ›Was weißt du vom kleinen Turm?‹«
»Woraus wir schließen können, dass diese Nachricht mit dem Auftraggeber zu tun hat. Das ist nicht viel, aber es ist das Allererste, das sich mit einiger Sicherheit auf den Auftraggeber bezieht. Was für einen kleinen Turm kann er gemeint haben?«
»Einen Turm in der Befestigung vielleicht«, meinte Christoph, »sagt man zu einem der Türme Kleiner Turm?«
»Ich kenne keinen«, sagte Löb.
»Es kann sich auch um den Turm einer Kirche handeln«, überlegte Nachum.
»Ist an dem einsamen Haus mit den Kerzen so etwas wie ein kleiner Turm?«
»Wenn ich es mir genau überlege, so wissen wir wieder einmal gar nichts.« Christoph schüttelte traurig den Kopf.
»Doch, etwas ist deutlich geworden«, sagte Esther, »wir wissen ganz bestimmt, dass das leere Haus mit den brennenden Kerzen in der Nacht etwas mit dem Auftraggeber zu tun hat.«
Später, als der alte Abraham und die alte Esther zu Bett gegangen waren, bestürmte Nachum Löb: »Wir müssen darüber reden.«
»Es gehört sich nicht, Nachum, der Rat der Alten ist uns heilig!«
»Unsere Zukunft muss uns auch heilig sein.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll: Ich meine nicht, dass die Lage der Straßburger Juden so schlimm ist, wie Elieser in seinem Brief meint.« Löb blickte vor sich auf den Tisch.
Esther begann unsicher: »Wäre es nicht auch für Christoph besser, wenn wir alle zusammen auswandern würden?«
Nachum fuhr auf: »Das kann aber doch nicht für uns maßgeblich sein.«
»Ich meine, du wolltest auswandern?«, fragte Esther etwas lauter.
»So kommen wir nicht weiter. Da steht Christoph, und ich verstehe gut, dass er dazu nichts sagen kann«, sagte Löb mit scharfer Stimme.
»Ich bin müde und gehe hinauf.«
»Bleib da, Christoph, wenn wir schon darüber reden – und ich möchte meinen Kindern nicht das Reden verbieten – dann solltest du wissen, was gesagt wird, es betrifft ja auch dich.«
»Ich kann dazu nichts sagen.« Christoph mied den Blick von Esther.
»Du sollst auch nichts sagen. Aber du sollst hören, wie ich darüber denke. Ich meine, dass es aus der Entfernung schlimmer aussieht, als es ist. Auf der Straße ist es schlimm wie überall, aber ich habe Zugang zur Kaufmannsgilde, wenn ich auch nicht mehr Mitglied sein darf.«
»Siehst du, Vater!«
»Aber ich habe gute Kontakte zu allen Mitgliedern. Wir machen Geschäfte miteinander wie immer und ich weiß, dass sehr viele und sehr einträgliche Geschäfte ohne uns Juden nicht laufen könnten. Wir können Geld aufbringen, das sie nicht aufbringen
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