Schwarzer Valentinstag
hebräische Schrift aussehen.
Christoph erinnerte sich: Sauber ist man vor den Menschen, rein ist man vor Gott.
Das unreinste Tier für die Juden war das Schwein. Das ganze Viertel der Juden war entweiht.
Christoph fühlte sich beschmutzt wie von der Hand des Henkers. Er getraute sich kaum Esther zu berühren.
Da kam ein Mann durch das Viertel der Juden gegangen. Er hatte eine Schrift bei sich und er stellte sich in die beschmierten Gassen und las: »Kund und zu wissen jedermann, besonders aber den ungläubigen Juden: Alle Juden müssen bei Ungnade des Kaisers und der Stadt von diesem Tag an einen gelben Fleck aus Stoff auf die Kleider heften. Er ist anzunähen über dem Herzen. Wird ein Jude ohne diesen Fleck ergriffen, muss er zwölf Gulden Frevel bezahlen und kommt vierzehn Tage in den Turm. Der Fleck muss aus gelbem Stoff geschnitten sein und er muss so angebracht werden, dass er nicht leicht abzureißen ist. Wer aber einen solchen Judenfleck abreißt, wird ebenfalls mit Strafe belegt! Ein ehrbarer Rat der freien Reichsstadt Straßburg. Gegeben am Tag des heiligen Gorgon im Jahre des Herrn 1348.«
Bei Tageslicht unterschied sich das Haus, in dem die Kerzen gebrannt hatten, sehr von den doch auch vornehmen Nachbarhäusern. Es war viel höher und breiter, ein Steinhaus mit einem Ziegeldach und regelmäßig gehauenen Steinen. Das Erdgeschoss hatte einen großen Spitzbogen als Portal, ein Wappen in Stein gehauen stand darüber. Die Steinfenster hatten ebenfalls die Form eines Spitzbogens. Sie waren mit kleinen Rauten verglast, hinter denen erkennbar weiße Tücher vorgezogen waren. Über dem Erdgeschoss bauten sich mächtige Wohngeschosse auf, alle Fensterläden waren geschlossen. In der gepflasterten Auffahrt zum Hof wuchs Gras.
In der Auffahrt war ein schmales Fenster. Ein Blick in die Runde – weit und breit war niemand zu sehen. Philo zog sich am Gesimse hoch. Das Fenster ging in die große Halle, die sie bei Nacht gesehen hatten. Seine Augen mussten sich an das Dämmerlicht gewöhnen. Es war womöglich noch gespenstischer als in der Nacht: Wie Heerscharen standen überall Kerzen, jetzt aber dunkel, halb herabgebrannt.
Das große Tor war verschlossen, aber eine kleine Pforte konnte Philo öffnen.
Er schlenderte hinein. Der Innenhof war ebenfalls gepflastert, aber auch hier wuchs aus allen Ritzen Gras. Den hinteren Hofabschluss bildeten Ställe, aber alle Tore waren geschlossen.
»He, was hast du hier zu suchen?«
Ein Mann in der Kleidung eines Dieners trat aus der Hintertüre des Wohngebäudes.
»Ich suche den Hausherrn«, sagte Philo möglichst unbefangen. Er sah im Augenblick aus wie ein Geselle aus gutem Haus, der nicht seine beste Kleidung anhat.
»Der ist nicht da! Hau ab!«
»Ich kann nicht wieder gehen. Ich muss ihm etwas ausrichten.«
»Dann sag’s mir.«
»Ich darf es nur dem Hausherrn persönlich sagen.«
»Dann lügst du.«
»Was soll das heißen?«
»Bürschlein, wenn dein Herr dir etwas an meinen Herrn aufgetragen hätte, dann hätte er dich nicht hierher geschickt. Jetzt verschwinde! Sonst hole ich den Hund!«
Es gibt ja auch noch Nachbarn, dachte Philo, ich muss morgen wiederkommen.
So war er einen Tag später wieder da, dieses Mal betätigte er den Türklopfer des Nachbarhauses als einäugiger Bettler. Weit und breit war kein Mensch zu sehen.
»Hier gibt es nichts, verschwinde! Sonst hetze ich den Hund.«
Eine unfreundliche Gegend – so viele Hunde!
»Ach, ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen«, weinte er. »Ihr habt doch sicher irgendwelche Abfälle, ich bin mit allem zufrieden.«
»Die Abfälle bekommt der Hund. Hau ab!«
»Meint Ihr, dass ich im Nachbarhaus – «
»Im Nachbarhaus wohnt niemand. Das steht leer.«
Die Türe knallte zu.
Dritter Anlauf am nächsten Tag. Philo sah aus wie der Diener eines sehr reichen Mannes. Er trug ein gesticktes Wappen auf der Brust.
»Ich komme im Auftrag des Grafen von Löffelstelz« – hoffentlich gibt es den nicht wirklich – »und soll fragen, ob das Nachbarhaus mit den geschlossenen Fensterläden zu vermieten ist. Es ist ja offenbar unbewohnt.«
»Das Nachbarhaus? Ich weiß nicht recht. Man sieht niemand außer einem Diener. Das Haus war früher voller Leben, da gehörte es dem Ritter von Hauenstein, es wurde dann verkauft. Wer es gekauft hat, weiß ich nicht. Seit über zwei Jahren steht es leer. Es ist vielleicht schon zu mieten. Ihr müsstet euch an Herrn Dopfschütz, einen Ratsherrn, wenden.«
»Gehört ihm
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