Schwarzer Valentinstag
und gepriesen, dass selbst der Kaiser von Rom keine besseren Säue gehabt habe?«
Die Gäste bogen sich vor Lachen.
»Meine Herren«, begannen Mendel und Nathan zugleich, »Ihr wisst, dass wir Juden nichts vom Schwein essen dürfen und kein Blut – «
»Was«, schrie der Weinmichel und seine Augen leuchteten. Das konnte man erzählen, wohin man auch kam. Da würde der Wein nur so fließen. »Was?«, schrie er noch einmal. »Habe ich recht gehört, die Herren Juden wollen das nicht essen, was sie den Christen verkaufen, es wird doch nicht vergiftet sein, was ihr uns da verkauft!«
Die ganze Gaststube trampelte, johlte, grölte und pfiff.
Ein Mordsspaß ist das, dass ich darauf gekommen bin – das glaubt mir keiner in ganz Altkirch. Jetzt aber weiter: »Das wird gefressen! So wahr ich Michel heiße. Und zwar jetzt sofort hier auf der Stelle, was glaubt ihr denn!«
»Meine Herren«, begann Mendel noch einmal. Seine Stimme war leise und gleichzeitig ruhig, ein wenig so, wie wenn einer um Verzeihung bittet, und ein wenig so, wie man mit einem kranken Kind spricht. »Meine Herren, man weiß es doch, dass Juden kein Fleisch vom Schwein und nichts aus Blut Gemachtes essen dürfen,so wenig wie ihr am Freitag Fleisch essen dürft.«
»Ist heute Freitag?«, schrie Michel mit rotem Kopf und leuchtenden Augen. So sollte ihn seine Frau sehen, die ihn immer für einen Duckmäuser hielt, der sich nichts Rechtes traute.
»Ist heute Freitag?«, schrie die ganze Gaststube. »Ist heute Freitag? Die reden immer vom Freitag!« Es war ein herrlicher Spaß. Endlich war einmal etwas los in diesem langweiligen Nest. Da konnte man sogar die Pest für einen Augenblick vergessen. Und hieß es nicht –?
»Heute ist kein Freitag, meine Herren Juden«, fuhr Michel fort. Was sagte man denn nun gleich? Etwas Witziges musste es sein. Die ganze Stube schaute ihn an. Etwas Witziges musste ihm einfallen.
Da war es schon: »Jeder Christ«, sagte er mit einem Glucksen im Hals und sein Mund verzog sich immer breiter, »jeder Christ kann heute Schweinefleisch essen. Vielleicht sind es ja die Bärte, die die Herren hindern. Da können wir doch helfen – «
Jetzt dröhnte die ganze Stube los. Welch ein Einfall! Erst würde man den beiden die Bärte scheren, dann würde man ihnen das Fleisch in das Maul stopfen. Was war das mit dem Vergiften? Was hatte der Michel da gesagt? Vergifteten die Juden nicht die Brunnen, damit die Leute die Pest bekamen?
Man musste es ihnen zeigen, den Juden!
Da rückte Michel auf der Bank zurück wie vor einem Gespenst und streckte eine Hand vor, die andere presste er auf den Mund. Er war der Erste, der ihn sah.
Der Knecht des Wirts war durch die rückwärtige Türe in die Gaststube getreten. Er schritt langsam, fast feierlich. Er ging mit ausgebreiteten Armen und nacktem Oberkörper wie ein Gekreuzigter. Da sahen es alle: Unter seinen Achseln waren dicke Beulen, blauschwarz angelaufen. Sein Gesicht war schweißüberronnen und von einer fürchterlichen Blässe. Er sprach kein Wort und stand nur keuchend da mit seinen ausgebreiteten Armen.
Als Erster rannte Michel davon. Dann gab es kein Halten mehr. Die Gäste schrien und rannten und quetschten sich durch die Türe. Dem Wirt war die Schüssel aus den Händen gefallen und die Scherben und das Essen spritzten durch die Stube und auf die beiden Juden.
Dann war die Stube leer bis auf die Juden, die sich langsam erhoben. Draußen aber wartete die Menge auf sie und schrie auf sie ein: »Schlagt sie tot! Schlagt sie tot!«
Erst wurden sie gestoßen und gepufft, als müssten sich die Leute Mut machen. Die von hinten drückten und drängten. Die beiden Juden wurden eingequetscht; dass sie kaum mehr Luft bekamen,als steckten sie in einem Brei von Leibern.
»Nehmt doch Steine.«
Balthas war wieder da. Er stand mit seinem Prophetenbart plötzlich im schönsten Novembersonnenschein vor Regine, gesund wie immer. Nur der Bart war etwas grauer geworden.
Nach der ersten herzlichen Begrüßung sagte Balthas bedrückt: »Die Pest ist schon in der Gegend von Mühlhausen. Jedenfalls wird gesagt, dort sei der Knecht eines Gastwirts an der Pest gestorben.«
»Wir müssen abwarten. Man kann nur beten.«
»Ich komme eigentlich wegen einer erfreulicheren Sache.« Balthas zog Regine auf die Seite. »Ich meine, das Rätsel der drei Zahlen ist klarer geworden, vielleicht können wir es jetzt sogar lösen.«
Am Abend saßen sie in der Stube bei Löb, der hatte Bücher vor sich
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