Schwarzer Valentinstag
die Pest wie wir Juden.« Seine Stimme war rau und klang, als würde er gleich weinen, dann stampfte er hinaus.
»Sie machen in Benfeld einen Tag«, sagte Herr Kropfgans bedrückt, »sie wollen die Juden ausrotten. Auch in Straßburg.«
»Was in Straßburg geschieht, wird nicht in Benfeld beschlossen, sondern in Straßburg, Herr Kropfgans, Herr Eisenhut, ich bitte Sie!«
»Aber der Herr Bischof will es so. Er will, dass die Juden aus dem Elsass verschwinden. Er hat es gesagt, er hat es gesagt.«
»Kaltes Blut, Herr Kropfgans, kaltes Blut.«
»Es ist ja nicht nur der Bischof«, warf Herr Eisenhut ein, »der Adel will es im Elsass und drüben im Markgräfler Land, in Freiburg und im Schwarzwald.«
»Wir in Straßburg wollen es nicht!«, sagte Herr Dopfschütz laut. »Der Adel kann uns ganz gleichgültig sein.«
»Das meine ich nicht«, sagte Herr Eisenhut zögernd, »wir brauchen die Juden, wir brauchen das Geld. Aber der Adel hat kein Geld, sondern Schulden, und die hat er bei den Juden. Das wissen wir doch. Es gibt nichts Besseres für den Adel, als dass die Juden umgebracht werden. Also werden sie auch umgebracht. Alle!«
»Nein. Die in Straßburg nicht!« Herr Dopfschütz stampfte auf.
Herr Kropfgans schaute von einem zum anderen: »Denkt denn niemand an die armen Menschen?«
»Doch, wir drei, das wisst Ihr doch, Herr Kropfgans.«
»Kann man überleben?«, fragte Christoph den alten Abraham. »Wie ist das mit der Pest?« Es wurde viel geredet über den verstorbenen Knecht in Altkirch bei Mühlhausen.
»Das kann ich dir ganz gut sagen«, warf die alte Esther ein. »Hannah hat es mir geschildert. Sie war oft dabei und hat es so genau erzählt, dass es fast ist, als wäre ich selbst dabei gewesen: Zuerst bist du gesund, dann fühlst du dich auf einmal elend und bekommst Kopfschmerzen und Fieber. Bis jetzt ist es noch nicht schlimm, es kann auch irgendetwas anderes sein, etwas Harmloses. Aber jetzt pass auf: In den Achselhöhlen und in der Leistengegend fängt es an zu ziehen, zu drücken und wehzutun. Der Schmerz, ein schneidend stechender Schmerz, wird immer stärker, du kannst die Arme schwer bewegen, Schweiß bricht aus und das Fieber steigt, gleichzeitig wirst du schwach. Jetzt schaust du unter deine Achselhöhlen und in deine Leisten, und dort wirst du dann das Schreckliche sehen: Dicke Beulen, blauschwarz und immer noch anschwellend, beginnen die Höhlen auszufüllen und lassen dich bei jeder Bewegung schreien vor Schmerzen. In den nächsten Tagen bekommst du Beulen auch an anderen Stellen. Schneidet man die Beulen auf, so kommt ein stinkender, breiiger Eiter heraus. Das tut zwar sehr weh, aber es kann dir Erleichterung, ja sogar Heilung verschaffen. Nur musst du jemand finden, der diese Schnitte kann und auch macht. Denn die meisten Ärzte liefen davon, wenn sie die Beulen sahen, hat wenigstens Hannah gesagt. Die Krankheit ist überaus ansteckend und kaum einer hält die Angst vor ihr aus, um jemand zu pflegen.«
»Du hast es sehr genau beschrieben«, bestätigte der alte Abraham, »die Angst vor der Pest ist so tödlich wie die Pest selbst.«
Christoph verstand das nicht ganz: »Kann man wieder gesund werden?« Er presste die Hände zusammen.
»Die meisten sterben«, sagte Abraham ruhig, »von hundert Pestkranken sterben wohl siebzig bis über achtzig, so hat es mir ein jüdischer Arzt gesagt. Und er hat selbst die Pest bekommen und ist am Leben geblieben. Es gibt also Hoffnung.«
»Wenn man die Beulen aufschneidet«, sagt Christoph leise.
Abraham legte ihm die Hand auf die Schulter: »Es haben auch Kranke überlebt, denen die Beulen nicht aufgeschnitten worden sind. Sie brechen dann von selbst auf.«
»Und die meisten sterben?«
»Man wird schwächer, Fieber schüttelt einen, die Beulen vermehren sich, an allen Gelenken schwellen sie an, dick und schwarzblau. Die Schmerzen wachsen ins Unerträgliche. Man glüht vor Fieber und fällt in einen schweren Erschöpfungsschlaf, wenn man Glück hat. Manche bleiben qualvoll schlaflos, wälzen sich vor Schmerzen und merken, wie sie immer schwächer werden. Und dann hört das Herz auf zu schlagen.«
»Schrecklich!« Christoph bekreuzigte sich.
»Es gibt einen schlimmeren Verlauf, zum Glück selten. Die Pest beginnt dann in der Brust. Du hast Schmerzen beim Atmen, die ganze Brust tut dir weh und du fängst an zu husten, ein trockener Husten unter Höllenqualen, bei dem du meinst, dass du erstickst. Dann kommen dicke Klumpen von geronnenem Blut aus
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