Schwarzer Valentinstag
Knechtsarbeit hatte er bei den Bauern tun müssen – dann Einbruch, Wegelagerei, Raub –, ein Kumpan hatte ihm Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. Zuletzt wurden sie erwischt und in den Turm gelegt, angeschmiedet mit einer Kette – Rad oder Galgen?
Bis ihn diese Kaufleute herausgeholt hatten mit dem Mordauftrag.
Und jetzt – welch ein Aufstieg! Er würde vielleicht eines Tages sogar Ratsherr werden –
Da war es: Ein schiefes, baufälliges Haus mit einer schwindeligen Brettergalerie am Giebel, der sich bedenklich über einen Arm der Ill neigte. Gut, dass etwas Schnee lag, man hätte sonst nicht die Hand vor den Augen gesehen. Aus der Ill schien die Kälte heraufzusteigen.
Er solle die Türe öffnen und einfach hineingehen, sie sei nicht abgeschlossen. Das musste wohl ein Witz sein: Diese schiefe Türe hatte noch nie jemand abschließen können. Vielleicht müsse er etwas warten, aber der Herr werde sich beeilen. Freilich sei er viel beschäftigt und nicht immer ganz Herr seiner Zeit.
Wie unangenehm die Türe quietschte!
Finster war es in dem Raum, in den er trat, und bitterkalt.
Es war aber nicht ganz dunkel. Dort auf dem alten Gesimse stand eine brennende Kerze. Er wurde also erwartet. Es war keine Fackel und kein Kienspan. Es war eine teuere Kerze, die da brannte, ohne zu rußen oder zu qualmen. Und sie stand in einem silbernen Leuchterlein! Er konnte beruhigt warten.
Es sah sich um. Das Gebälk zum oberen Geschoss war teilweise heruntergesackt. Eine herabgebrochene Stiege hing halb im Raum.
Hier, im unteren Geschoss, waren die Trümmer des Gebälks zum Teil zur Seite geräumt und der Raum war etwas wohnlich gemacht worden. Ein wackeliger Tisch stand da und eine Bank, die nur noch drei Füße hatte, weshalb eine Holzkiste unter sie geschoben worden war.
Er setzte sich vorsichtig darauf.
Aus der Ferne hörte er den Schlag von Turmuhren, sonst war alles totenstill, höchstens ein Knacken im Gebälk. In einem Luftzug bewegten sich die Spinnwebfahnen schwer von Staub. Die Kälte kroch an den Beinen hoch.
Manchmal ließ ihn ein Rascheln auffahren, aber es war nur eine Ratte, die mit glänzend schwarzen Augen zu der Kerze hochsah und weghuschte.
Nach und nach wurden ihm andere Geräusche bewusst: leises Scharren und Knirschen. Dazu kam von der herabgebrochenen Stiege her etwas wie Stöhnen und Klappern. Ein seltsames Pfeifen und Kratzen setzte ein, schwere Atemzüge. Was bewegte sich da?
Hilf, Himmel, was war da noch in dem Raum außer ihm? Er hörte den schweren Atem immer deutlicher, sein Herz ging wie ein Hammer. Er presste die Hände zusammen, trotz der Kälte brach ihm Schweiß aus.
Langsam erhob er sich von seinem Sitz.
Das Geräusch des Atems, das im Raum hing wie von einem Tier, wurde jetzt zu einem Stöhnen, und da kam es – ein fahler schwarzweißer Schein, eine Gestalt, die langsam hinter den zerbrochenen Stiegen hervorwandelte. Ganz schwarz, nur ein grell kalkweißes Gesicht, darüber wie ein dicker Busch schwarze Haare.
Der Frosch stand wie aus Stein.
Auf der Brust der Gestalt schimmerte etwas. Ein Dolch steckte da!
»Erkennst du mich? Schwarze buschige Haare, blaue Augen?«
Die Stimme hatte nichts Menschliches an sich. Aber er erinnerte sich, er hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, in einer Herberge im letzten Frühjahr –
»Ja, ich bin Christoph Schimmelfeldt. Du hast mich verfolgt, du hast mich ermorden lassen. Du hast das Blutgeld für mich genommen und hast dafür getötet!«
Ein Winseln kam aus der Brust des Beschuldigten.
»Ich bin nicht gekommen, um zu strafen, das werden andere tun. Aber ich finde die ewige Ruhe nur in der Wahrheit.« Die Gestalt schwebte näher: »Wer hat dir das Blutgeld gegeben? Du musst es mir sagen.«
Der Frosch hatte einen trockenen Mund, er versuchte zu sprechen, aber er brachte nur ein Würgen, ein Ächzen heraus.
»Es ist mir Macht gegeben über dich«, redete die furchtbare Gestalt weiter, indem sie näher schritt, »wenn du die Wahrheit nicht sagst, breche ich dir das Genick!«
Da löste sich etwas: »Ich war es nicht, ein Bettler hat dich getötet – er ist schon bestraft«, krächzte er, und als ihn die Gestalt schon fast erreicht hatte, brach es aus ihm heraus: »Es war der Herr Dopfschütz. Herr Dopfschütz hat das Blutgeld bezahlt, ich schwöre es. Er hat mich sogar um das vereinbarte Geld beschissen. Nur darum habe ich – «
Aber schon bewegte sich die geheimnisvolle Gestalt rückwärts unter den Vorsprung der Stiege
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