Schwarzer Valentinstag
Dopfschütz vom Kontor in die Stube. Hier waren Abraham und die beiden Esther.
Abraham erhob sich beim Eintritt des Gastes: »Mein Name ist Abraham. Ich bin der Älteste der Familie und es ist meine Pflicht, Euch, Herr, unserem Wohltäter, den Dank unserer Familie und der ganzen Gemeinde abzustatten. Ich stehe an der Schwelle des Todes und ich würdige, was Ihr für die hiesige Judenheit tut. Es ist schade, dass Eure Großherzigkeit die anderen Gemeinden am Rhein nicht ebenfalls retten kann. Umso mehr bauen wir auf Euch, dass die Gemeinde in Straßburg erhalten bleibe und weiter blühen kann.«
Der alte Mann neigte sich tief und küsste Herrn Dopfschütz die Hand, was dieser geschehen ließ, indem er die Hand mit einem großen Siegelring aus seinem pelzverbrämten Gewand streckte. Unter die Türe trat Christoph.
Herr Dopfschütz hatte sich Esther zugewandt: »Eine schöne Tochter habt Ihr da, Löb Baruch, bald heiratsfähig. Na, wie heißt denn der Glückliche?«
Er strich ihr über die Wange.
Zum Schluss segnete Abraham Herrn Dopfschütz: »Der Herr segne Euren Eingang und Ausgang, er gebe Euch Glück und Frieden.«
Im Hinausgehen fiel der Blick des Herrn Dopfschütz auf Christoph.
Er sah ihn scharf an: »Wen haben wir denn da?«
Christoph war stumm.
»Ich wusste gar nicht, dass Ihr einen weiteren Sohn habt, Löb Baruch. Warum wird er mir nicht vorgestellt?«
»Das ist kein Sohn von mir. Es ist ein entfernter Verwandter meiner verstorbenen Frau und als Gast vorübergehend bei uns«, sagte Löb sichtlich verlegen.
»Sechzehn? Siebzehn? Ein hübscher Junge«, sagte Herr Dopfschütz und ließ kein Auge von Christoph.
Er wandte sich an Esther: »Das hat man selten.«
Im Abgehen fügte er noch hinzu: »So schöne buschige schwarze Haare und dazu blaue Augen.«
V ALENTINSTAG 1349
Christoph starrte auf den Boden, Esther hielt die Hand am Mund, Abraham hatte sein Obergewand über den Kopf gezogen, Löb stand da, kreidebleich.
Nachum stand mitten im Raum, seine Stimme gellte: »Seid ihr taub, seid ihr zugenagelt, habt ihr kein Hirn mehr? Was ist los mit euch? – Der allseits verehrte Herr Dopfschütz ist der Jäger Christophs, er ist der Hintermann, den wir suchen. Er ist der Mörder von Christophs Vater, er ist der Mörder der beiden Bettler. – Er ist es, der Türme zerstört und Macht haben wird. Und mit dieser Macht wird er nicht die Juden beschützen! Und Gnade Gott uns Juden in Straßburg, wenn ich Recht habe!«
»Es wäre entsetzlich«, sagte Esther leise.
Abraham hielt den Kopf weiter verhüllt.
Christoph wollte etwas sagen, aber er brachte keinen Ton heraus.
»Ruhe jetzt, Ruhe, nichts überstürzen!«
»Nicht Ruhe, Vater, wir müssen verschwinden, abreisen, nach Osten zu Elieser. Es ist höchste Zeit!«
»Bitte, Nachum, lass uns nachdenken, lass uns alles überlegen. Es ist wichtig. Lass uns nichts überstürzen. Bitte. Wir haben auch Verantwortung für die Brüder.«
»Bitte, Nachum«, sagte Esther tonlos.
»Wir wollen alle Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten durchgehen«, begann Löb.
»Er hat mich genau so beschrieben, wie ich den Bettlern und dem Gesindel von Straßburg vom Frosch beschrieben worden bin – buschige schwarze Haare und blaue Augen.« Christoph war immer noch wie gelähmt.
»Es kann kein Zufall sein, Vater«, drängte Nachum.
»Gut, gehen wir davon aus, dass es kein Zufall war – dann kennt er diese Beschreibung, und ich muss zugeben, dass dann eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass er selbst der Urheber der Beschreibung und damit der Mörder von Christophs Vater ist. Warum hat er sie uns dann gesagt?«
»Er will mir drohen, das ist klar«, Christoph starrte auf den Boden, »und er fühlt sich sehr sicher dabei. Er spielt mit mir wie die Katze mit der Maus.«
»Richtig«, überlegte Löb weiter, und seine Stimme gewann wieder an Sicherheit, »er hat es in unserer Gegenwart gesagt. Das kann zweierlei bedeuten: Erstens, dass es ihm gleichgültig ist, ob wir es hören, weil er unsere Angelegenheiten davon trennt.«
»Zweitens: Dass er uns warnen will, Christoph weiter zu beschützen«, fuhr Nachum fort.
Esther presste die Lippen zusammen.
»Wenn es so ist, wie Nachum meint«, sagte Löb mit ruhiger Stimme.
»Was will er denn mit dem vielen Geld? Weißt du das, Vater?«
»Er hat es mir nie gesagt, Esther. Ich habe ihn immer wieder darauf zu sprechen bringen wollen, aber da war nichts herauszubekommen. Er wird Ware kaufen. Ich kann mir aber
Weitere Kostenlose Bücher