Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Sheriffs stand in der Einfahrt – ein gutes Zeichen.
Tincup sprang aus dem Wagen und rannte den Gehweg hinauf. »Drum! Verflucht, Drum, wo steckst du?«
Als er gegen die Tür klopfte, öffnete sie sich knarrend.
Tincup trat in den vollgestellten Flur. Seine Augen brauchten einen Augenblick, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnten. Was er dann sah, hätte ihn beinahe ohnmächtig werden lassen. Meterlange Eingeweideschlingen waren auf den Möbeln drapiert, dickflüssiges Blut klebte auf dem Boden. Drums Kopf steckte auf einem Hutständer. Augen und Zunge fehlten. Im Schädel klaffte ein Loch, das den Blick auf das halb gefressene Gehirn freigab. An den gelatineartigen Frontlappen waren eindeutig Bissspuren zu erkennen.
Schon lange hielt Tincup Gott für eine überkommene Vorstellung und den Teufel für ein brauchbares Instrument, um aufsässige Jünger wieder zur Räson zu bringen. Beim Anblick dieses Schlachtfests allerdings erfuhr er neuen Glauben. Wenn es tatsächlich einen Kampf zwischen Gott und dem Teufel gab, so hatte Tincup keinen Zweifel daran, wer letzten Endes gewinnen würde. Genau wie für Moses wurde es auch für ihn höchste Zeit, so schnell wie möglich aus der Wüste zu verschwinden.
48
Die verlassene Tankstelle lag noch genauso da, wie Junior Cotton sie in Erinnerung hatte. Drei verrostete Zapfsäulen wachten über einen mit Gestrüpp überwucherten Asphaltvorplatz. Die Fenster der niedrigen Werkstatt waren schon lange eingeworfen. Auf der Veranda des geplünderten Tankstellenshops stand ein von der Sonne ausgebleichter Getränkeautomat.
Vorsichtig stieg Junior aus dem Chevrolet. Von der mehrstündigen Fahrt hatte er Krämpfe bekommen. Während er sich streckte, ließ er den Blick über die ausgedörrte Landschaft schweifen, dann zog er den Schirm seines Käppis tiefer ins Gesicht, um sich gegen die Sonne zu schützen. Da bemerkte er das Milky-Way-Schild, das in nicht einmal einer Meile Entfernung aus dem steinigen Sand ragte. Ob Tincup immer noch dort hauste? Wie viele von seiner alten Gemeinde wohl noch übrig waren?
Das Kratzen eines Feuersteins ließ ihn herumfahren. Das Mädchen stand neben ihm und zündete sich mit ihrem Zippo eine Zigarette an. Er hatte ihr nicht gestattet, im Auto zu rauchen.
»Soll’n wir ihn hier irgendwo einsperren? Den Jungen?«, fragte sie und atmete Rauch aus.
Junior nickte.
»Besonders stabil sieht’s hier aber nicht aus.«
»Komm mit«, sagte er und ging unsicher auf die Zapfsäulen zu.
Della trottete neben ihm her, hängte sich bei ihm ein und stützte ihn. Einem zufälligen Betrachter wären sie wohl wie ein Liebespaar vorgekommen, das eine seltsame Faszination für die heruntergekommenen Relikte des vergangenen Jahrhunderts hegte.
Junior blieb vor einer der ausgeschlachteten Zapfsäulen stehen. Das Zählwerk war bis in alle Ewigkeit auf sieben Dollar und dreiundfünfzig Cent eingefroren.
»Da drüben, siehst du?« Er deutete auf eine eiserne Falltür, die in den Asphalt eingelassen war. Sie nickte. »Heb sie mal hoch.«
Della ging in die Hocke, klemmte sich die Zigarette in den Mundwinkel, kniff die Augen gegen den Rauch zusammen und packte den Griff, der auf die Metallplatte geschweißt war. Trotz aller Anstrengung konnte sie ihn keinen Millimeter bewegen. Schließlich nahm sie einen tiefen Zug und hustete Rauch.
Dann richtete sie sich wieder auf. »Wart mal.«
Er beobachtete, wie sie in die Werkstatt ging und eine Minute später mit einem etwa eineinhalb Meter langen Rohr zurückkehrte. Sie schob das eine Ende des Rohrs in den Griff und verlagerte ihr gesamtes Gewicht auf das andere.
Die Falltür hob sich. Sie wuchtete sie auf den Asphalt, spähte in das Loch und ließ das Rohr hineinfallen. Eine Sekunde später hörte man es scheppernd durch einen leeren Benzintank hallen.
»Jetzt kapier ich. Aber wird er da drin nicht ersticken?«
»Wir müssen die Falltür einen Spalt weit offen lassen. Andererseits soll er ja auch nicht ewig leben, oder?«
Sie nickte, nahm einen letzten Zug und schnippte die Kippe von sich.
»Wann schnappen wir uns den kleinen Pisser?«
Beim Geräusch eines Autos, das über die unebene Straße donnerte, versteckte sich Junior hinter einer Zapfsäule. Durch das löchrige Metall beobachtete er, wie sich ein alter Eldorado näherte. Als er die silberne Filmstarfrisur bemerkte, musste er lachen.
Junior Cotton lebte für den Moment – er begriff, dass es im gewaltigen Potenzial der Gegenwart keinen Raum für Zufälle
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