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Schwarzes Fieber

Schwarzes Fieber

Titel: Schwarzes Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Fußgängerampel grün.
    Die Dame an der Rezeption des Krankenhauses war eingenickt. Alles in dem alten, aber bestens gepflegten Gebäude schien zu schlafen. Mehr und mehr verstand ich, warum im Süden die Uhren anders tickten als bei uns. Dass es bei diesen Temperaturen Stunden gab, in denen jeder Versuch, etwas Sinnvolles zu tun, scheitern musste.
    Ohne eine Menschenseele zu treffen, stieg ich die Treppen hinauf, kam am heiligen Josef vorbei, der auf halber Treppe von einem Podest an der Wand gütig auf mich herabblickte. Zweites OG, Chirurgie links.
    Der lange Flur war bis auf einen Zivildienstleistenden menschenleer. Der hockte fluchend am Boden und versuchte, etwas an einem sperrigen Chromgestell zu reparieren.
    »Sie sind von der Polizei, nicht?«, fragte er, als ich an ihm vorbeiwollte. »Hab Sie letzte Woche schon hier gesehen.«
    Er erhob sich und reichte mir freudestrahlend die Hand. Der junge Mann hatte die Statur von Sylvester Stallone und dabei eine Stimme wie ein Chorknabe zwei Monate vor dem Beginn des Stimmbruchs.
    »Ich will zu Mrs Miller«, sagte ich. »Wie geht’s ihr heute?«
    »Jeden Tag ein bisschen besser. Heut hat sie sogar Besuch.«
    »Besuch?«
    »Ein Mann hat vorhin nach ihr gefragt. Ist noch keine Minute her. Ihr Bruder. Ist extra hergeflogen, um sie zu besuchen. Das wird sie freuen. Sonst kommt ja niemand. Außer Ihnen natürlich.«
    Sie hatte einen Bruder! Endlich jemand, der sie kannte, der mir etwas über sie erzählen konnte!
    Der Zivi wandte sich wieder seinem verhassten Gestell zu.
    Das Zimmer, zu dem ich wollte, lag ganz am Ende des Flurs. Von irgendwo dudelte leise Country-Musik.
    Auf dem Namensschild neben der Tür stand heute nur noch ein Name. Das Nilpferd war offenbar entlassen worden. Ich fragte mich, wie der Bruder die Schwester wohl gefunden haben mochte, wo doch niemand wusste …
    Als die Tür mit einem leise seufzenden Geräusch aufschwang, war mir klar, dass der Mann, von dem ich im Moment nur den Rücken sah, unmöglich Frau de Santos’ Bruder sein konnte. Er beugte sich gerade über sie. Wurden da Begrüßungszärtlichkeiten ausgetauscht? Umarmungen? Wangenküsse? Aber warum strampelte sie dann so unter der Bettdecke?
    Der Mann fuhr herum. Dunkle Haare, verschwitztes, schmales Gesicht, drahtige Statur, gehetzter Blick. Er trug einen leichten, hellen Trenchcoat, und nun war mir klar, dass er weder einen Krankenbesuch machte noch mit der Patientin verwandt war.
    Bevor ich eine Hand heben konnte, war er an mir vorbei, rannte mit wehendem Mantel und fast unhörbaren Schritten den Flur hinunter, an dem verblüfften Zivi vorbei, und als ich Sekunden später die Treppe erreichte, hörte ich nur noch seine eiligen Schritte von weit unten.
    Hinter mir begann Engracia de Santos, gellend zu schreien.
    Ich nahm drei Stufen auf einmal, bildete mir ein aufzuholen, stürmte durchs Erdgeschoss zur offen stehenden Eingangstür, starrte auf die gleißend helle, ausgestorbene Straße – nichts. Entweder er war noch im Haus oder … Hinter mir, vermutlich im Keller, fiel eine schwere Tür ins Schloss. Ich zückte das Handy, drückte die Taste, die mich mit unserer Einsatzzentrale verband, forderte brüllend Verstärkung an, während ich die Treppe zum Untergeschoss hinabstürzte.
    Der Täter war unbewaffnet gewesen. Vermutlich hatte er versucht, sein Opfer zu ersticken. Rechts ging es zu den Operationssälen und Labors, links schienen Betriebs- und Lagerräume zu sein. Vorsichtig öffnete ich die braun lackierte Stahltür, betrat wieder einen schier endlos langen, neonbeleuchteten Flur, von dem links und rechts unzählige Türen abgingen.
    Ich blieb einen Augenblick stehen, um meinen Atem zu beruhigen und zu horchen. Aber ich hörte nur meinen eigenen Puls.
    Die Augen gewöhnten sich allmählich an das gedämpfte Licht. Kühl war es hier.
    Warten oder suchen? Der Täter war kleiner als ich, schmächtiger. Und wer wusste, ob es hier nicht irgendwo einen Ausgang ins Freie gab. Also suchen.
    Eine der Neonröhren summte und flackerte. Über mir, unter der Decke, rauschte eine Wasserleitung. Weiter hinten das stark gedämpfte Brummen irgendeiner Maschine. Neben einer Tür weiter vorn stand ein offener, hellblau lackierter Werkzeugkasten.
    Hatte da etwas geraschelt? Nein, Einbildung.
    Vorsichtig ging ich weiter. Sah mich nach etwas um, das mir im Notfall als Waffe dienen konnte. Mein Handy vibrierte, Balke. Ich meldete mich flüsternd. Er war auf dem Weg und wollte wissen, wo ich steckte

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