Schwarzes Fieber
und was eigentlich los war. Im Telegrammstil informierte ich ihn und öffnete nebenbei eine Tür nach der anderen. Lagerräume für Verbandsmaterialien, Bettwäsche, Gerätschaften, deren Sinn sich mir nicht erschloss. Hinter einer zweiflügligen Tür ein riesiger Raum, eine Halle fast, voller Krankenbetten, die hier vermutlich gereinigt und desinfiziert wurden, bevor sie erneut zum Einsatz kamen. Auch hier kein Mensch.
Als ich wieder auf den Flur trat, spürte ich eine huschende Bewegung hinter mir.
»Obacht!«, schrie jemand, »hinter Ihnen!«
Instinktiv duckte ich mich, ein Schlag pfiff über mich hinweg, und im nächsten Augenblick wurde ich zu Boden gerissen. Das Handy schlitterte irgendwohin, mein Kopf krachte auf Beton, für einen Moment fürchtete ich, das Bewusstsein zu verlieren. Als ich – nach peinlich langer Zeit – wieder auf die Füße kam, wälzte sich der Zivi von vorhin mit dem verhinderten Mörder am Boden. Wenige Schritte entfernt lag ein schwerer Schraubenschlüssel, der wohl dazu bestimmt gewesen war, mir den Schädel einzuschlagen. Er musste dem Täter aus der Hand geflogen sein, als der Zivi ihn todesmutig über den Haufen rannte.
Ich kickte das Ding außer Reichweite, hob mein Handy auf. Die beiden rangen keuchend miteinander. Sollte ich eingreifen? Aber wie? Dem Täter mit dem Schraubenschlüssel eins überziehen? Unsinn, es war ja offensichtlich, dass er keine Chance hatte. Er wehrte sich zwar tapfer, sein Gegner gewann jedoch eindeutig die Oberhand. Der war nicht nur zwei Köpfe größer, sondern auch doppelt so breit. Und überdies …
Plötzlich schrie der Zivi auf, fasste sich ins Gesicht, und noch bevor ich reagieren konnte, hatte der andere sich losgerissen und raste davon, durch die noch halb offen stehende Stahltür, Schritte auf der Treppe, ich hinterher, dann Stille. Obwohl ich Vorsprung gehabt hatte, war der Zivi schon auf der Straße, als ich durch die Eingangstür stürzte. Der Mann, den wir verfolgten, schien sich nach rechts gewandt zu haben. Ich lief einfach hinterher. Mein Kopf schmerzte vom Sturz, die Lungen bald auch, wieder ging es nach rechts, Kaiserstraße, registrierte ich ohne zu denken, Bäume, Schatten. Die anderen hatten schon fast das andere Ende des Blocks erreicht, der wackere Zivi war wirklich unglaublich schnell und versuchte jetzt, den kleinen Mann am Kragen zu packen. Etwas Helles segelte durch die Luft, anscheinend hatte der Verfolgte seinen Mantel sausen lassen, um seine Haut zu retten. Der Gehweg war tückisch, immer wieder von Baumwurzeln aufgeworfen, die Schmerzen in meinen Lungen wurden unerträglich, die Häusserstraße blieb zurück, weiter vorne die Rohrbacher Straße, dann plötzlich Hupen, Bremsenkreischen, Stille.
Zwei Sekunden später war ich da.
Ein stadtauswärts fahrender Bus stand schräg auf der Straße, das Gesicht des Fahrers wie ein Vollmond hinter der Scheibe. Unter der Vorderachse ein dunkles Bündel. Der Zivi stand schwer atmend vornüber gebeugt, die Hände auf den Knien, am Straßenrand und starrte auf den Bus, genauer auf das, was darunter lag. Der totenblasse Fahrer bewegte sich noch immer nicht.
Ein Mann begann herumzuschreien und nach der Polizei zu rufen.
»Das war aber verdammt knapp, Chef!«, meinte Balke, der unerklärlicherweise auf einmal neben mir stand, mit mildem Vorwurf. Inzwischen war ich wieder halbwegs bei Atem. Wir zogen uns in den Schatten der Häuser in der Kaiserstraße zurück. Was es zu sehen gab, sahen wir auch von hier.
»Die Frau?«, fragte ich heiser. »Ist sie …?«
»Die ist okay. Sie sind anscheinend gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Ich bin so ein Idiot!« Stöhnend langte ich an meinen schmerzenden Kopf. »Allein! Und unbewaffnet!«
Balke beobachtete schweigend einige Männer der gerade angerückten Feuerwehr, die neben dem Bus diskutierten, wie man die Leiche wohl am besten darunter hervorholen könnte. Kein Kommentar ist manchmal auch ein Kommentar.
»Hier, sein Mantel.« Ein Kollege von der Schutzpolizei trat neben uns. Balke nahm den eleganten Trenchcoat an sich und begann, die Taschen zu durchsuchen. Das Einzige, was er fand, war ein Autoschlüssel.
»BMW«, sagte er. »Dann wollen wir mal sehen.«
Ich begleitete ihn, während er die Kaiserstraße zurück in Richtung Krankenhaus ging und alle paar Schritte einen Knopf am Schlüssel drückte. Inzwischen konnte ich wieder normal atmen. Auch die Kopfschmerzen schienen schwächer zu werden. Auf halbem Weg blinkte ein
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