Schwarzes Fieber
immer wieder mal vor.«
»Und Sie haben in letzter Zeit nicht irgendwas geändert?«
»Doch, klar. Den neuen Spam-Filter haben wir vorletzte Woche im System installiert. Noch gar nicht gemerkt? Da ist doch extra ’ne Mail rumgegangen! Haben Sie die nicht gelesen?«
»Spam-Filter, was heißt das genau?«
»Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, dass Sie in letzter Zeit kaum noch Junkmails kriegen?«
»Doch, natürlich. Deshalb rufe ich Sie ja gerade an. Und was passiert mit den Mails, die aussortiert werden?«
»Gucken Sie mal im Ordner ›Junk-Mails‹ nach.«
Mit herablassender Nachsicht half er mir, den Datenmüll zu finden beziehungsweise das, was unser System dafür hielt. Dort hatten sich inzwischen über achthundert E-Mails angesammelt, die zu sichten mich fast eine halbe Stunde kostete. Drei davon waren von Theresa, alle von einem öffentlich zugänglichen PC ihres Hotels versendet. Die erste und längste war zehn Tage alt. Theresa schrieb, ihr Mann liege in einer Klinik in Bangkok. Schon kurz nach Beginn ihres langersehnten Urlaubs war er an einer rätselhaften Virusinfektion erkrankt, musste am dritten Tag ins Krankenhaus, und sie hatte in dem ganzen Tumult nicht gleich die Zeit und Ruhe gefunden, sich zu melden. Bisher hatte sie nichts gesehen von Thailand und Kambodscha als eine Unmenge Taxis von innen, ihr teures Hotel, wo man eigentlich nur vier Tage hatte bleiben wollen, und die Klinik. Theresas zweite Mail war von letzter Woche. Sie fragte heiter, was denn los sei, warum ich nicht antworte, wo sie doch wisse, dass ich inzwischen wieder im Büro war. Die dritte schließlich hatte sie letzte Nacht abgeschickt, um null Uhr siebenundzwanzig, und meine Göttin verlangte in merklich irritiertem Ton zu wissen, ob es etwa irgendein Problem gebe.
Ich schrieb sofort zurück, redete mich auf eine Störung unseres Computernetzes heraus – eine Ausrede, die zum Glück immer zieht – und schickte ihr Trost und ein paar virtuelle Küsse.
Als ich anschließend, ich weiß nicht, zum wievielten Mal an diesem Montag, die Durchwahl der Stationsschwester wählte, war besetzt.
13
Nach einem hastig und ohne Appetit hinuntergeschlungenen Essen erfuhr ich, dass die Patientin nun endlich wieder in ihrem Zimmer lag.
»Aber jetzt ist eigentlich Mittagsruhe«, belehrte mich eine Jungmännerstimme. »Frau Miller hat einen anstrengenden Vormittag hinter sich. Sie muss ein bisschen schlafen.«
»Nur ein paar Minuten. Ich habe ein paar kurze Fragen an sie.«
»Aber sie spricht doch gar nicht!«
»Gut möglich, dass sie es bald wieder tut.«
»Tut mir leid. Jetzt geht das nicht«, erwiderte er bestimmt.
Mir reichte es. »Geben Sie mir die Stationsärztin. Bitte.«
»Die macht Mittag. Wir müssen hier ja auch mal essen.«
»Dann piepsen Sie sie an, Herrgott!«
»Das darf ich nur im Notfall.«
Ich knallte den Hörer aufs Telefon. Kurz nach eins. Die heißeste Zeit des Tages. In der Kantine hatte ich vom Nebentisch die Worte »zweiundvierzig Grad« aufgeschnappt. Man hatte das dramatische Abschmelzen des Nordpoleises diskutiert. Hatte ich wirklich Lust, mich auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, durch diese apokalyptische Sonne dort draußen? Hatte ich wirklich Lust, es auf einen Streit mit dem Klinikpersonal anzulegen?
Nein, ich hatte keine Lust. Aber ich musste Frau de Santos sehen. Jetzt. Etwas in mir akzeptierte keinen Aufschub mehr.
Ich glaube nicht an Gedankenübertragung, ich glaube nicht an Schicksal und Fügungen. Horoskope nehme ich grundsätzlich nur zur Kenntnis, wenn sie günstig sind. Vermutlich konnte ich einfach keine Sekunde länger still sitzen. Und ein bisschen Bewegung würde mir nicht schaden. Ich teilte Balke mit, dass ich eine halbe Stunde außer Haus sein würde. Höchstens.
Zu Fuß konnte ich mich besser im Schatten der Häuser halten als auf dem Rad. Dennoch war ich schon nass geschwitzt, als ich den hundert Meter von meinem Büro entfernten Römerkreis erreichte. Die riesige, sonst stark befahrene Kreuzung lag heute nahezu verlassen da. Ein fast leerer Linienbus brummte vorbei, während ich auf Grün wartete, ein himmelblauer Lieferwagen mit röhrendem Auspuff und ein alter VW-Käfer, dessen Fahrer wirkte, als würde ihn nur die ohrenbetäubende Musik am Leben halten, die durch seine offenen Fenster dröhnte. »Stairway to heaven« von Led Zeppelin, registrierte ich automatisch. Der Asphalt war weich und klebrig. Irgendwo zirpte eine einsame Grille. Endlich wurde die blöde
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