Schwarzes Fieber
blutunterlaufenen und fast schwarzen Augen an.
»Also, was wollen Sie hören?«
»Vor einigen Wochen hatten Sie abends Besuch von einer blonden Frau.«
»Schon möglich.«
»Mich interessiert, was sie hier wollte.«
»Keine Ahnung. Ich hab sie nicht gesehen.«
»Ich nehme an, sie wollte in Rafael Nundas Zimmer, um irgendwas zu suchen.«
Mit mürrischer Miene hob er die Schultern und sah zur Decke.
»Weshalb sind Sie eigentlich so sauer auf mich?«, fragte ich.
»Weil Ihr Typ da«, wütend deutete er in Richtung Tür, »sich aufgeführt hat, als wäre er von der Gestapo. Der hat anscheinend noch nicht mitgekriegt, dass die Sklaverei abgeschafft ist.«
»Ich bin überzeugt, dass Kommissar Balke sich absolut korrekt verhalten hat.«
Ich war mir meiner Sache allerdings nicht so sicher, wie ich vorgab.
»Balke heißt das Arschloch?«
Der, von dem die Rede war, trat gerade grinsend durch die Küchentür und zählte fünf kleine Kunststofftütchen auf den Tisch. Die Beutelchen von der Größe großer Briefmarken enthielten feines, weißes Pulver.
»Kokain«, meinte Balke. »Das sind mindestens fünfundzwanzig Gramm. Bisschen reichlich für den persönlichen Gebrauch, finde ich.«
Pierre Duval sprang auf und zog es nun vor, auf Deutsch zu fluchen. »Das Arschloch wühlt ohne Erlaubnis in meinen Sachen herum!«, polterte er. »Ich will sofort mit meinem Anwalt telefonieren!« Drohend starrte er mich an. »Glauben Sie ja nicht, nur weil ich schwarz bin, können Sie sich hier alles erlauben! Ich kenne meine Rechte sehr genau!«
»Davon bin ich überzeugt.« Ich bat Balke durch ein Nicken, mich mit dem Mann allein zu lassen. Nach einem erst fragenden, dann leicht beleidigten Blick zog er sich zurück. Ich wartete, bis die Tür ins Schloss fiel. Dann sah ich dem Studenten ins Gesicht und wartete, bis sein Zornesausbruch verebbt war.
»Ich sehe für den weiteren Verlauf unseres kleinen Gesprächs zwei denkbare Szenarien, Herr Duval.«
»Ich sehe nur eins«, bellte er und schlug mit beiden Händen auf den Tisch. »Das Zeug da gehört mir nicht! Das hat das Arschloch mitgebracht, um mich zu linken. Das läuft aber nicht! Nicht mit mir!«
»Nun lassen Sie mich doch erst mal zu Wort kommen. Aufregen können Sie sich dann später immer noch.«
»Ich will mich aber jetzt aufregen, verfickte Scheiße! Das ist Rassismus, Mann! Bei einem Schwarzen denken Sie, da kommt’s nicht so genau drauf an, der muckt schon nicht auf. Aber die Zeiten sind zum Glück vorbei. Ich studiere Jura, das sollten Sie nicht vergessen!«
Seine Stimme wurde lauter und lauter, und mein Eindruck verstärkte sich, dass Duval eine schon öfter aufgeführte Show abzog.
»Ich kenne Leute bei Amnesty International, die warten nur auf eine solche Story!«
Ich lächelte unbeirrt und spürte, wie er allmählich unsicher wurde, weil seine Empörung nicht auf die erwartete Reaktion stieß. So wurde er mit der Zeit leiser, brummelte schließlich nur noch vor sich hin, drohte mit Presse, Funk und Fernsehen und verstummte am Ende ganz.
»Kommen wir also zur Sache.« Ich hatte meine Hände so auf dem Tisch gefaltet, dass die Kokaintütchen geschützt waren. Hin und wieder kommt es vor, dass Drogendealer ihre Ware plötzlich an sich reißen und verschlucken.
»Szenario eins: Ich nehme Sie fest, wir erstatten Anzeige, Sie bestellen Ihren Anwalt her, und wir ziehen die Sache bis zum bitteren Ende durch. Mein Kollege hat recht: Was hier auf dem Tisch liegt, geht vor Gericht nie und nimmer als Eigenbedarf durch.«
»Sie dürfen das nicht!« Seine Aufregung wirkte jetzt etwas gekünstelt. »Sie haben ja nicht mal einen Zeugen!«
»Haben Sie denn einen Zeugen dafür, dass ich keinen habe?«
Er starrte mich entgeistert an, öffnete den breiten Mund voller großer, beneidenswert weißer Zähne und schloss ihn langsam wieder.
»Wenn Sie ein klein wenig nachdenken, Herr Duval, dann werden Sie einsehen, dass das Ergebnis meines ersten Vorschlags nicht in Ihrem Interesse sein kann. Sie würden verurteilt, Ihre Aufenthaltsgenehmigung würde widerrufen, und Ihr Studium wäre zu Ende. Ich habe gehört, Sie lernen auf Ihre letzten Prüfungen?«
Aufgebracht schnaufend starrte er auf seine gefährlich kräftigen Hände.
»Und was wäre Option zwei?«
»Sie beantworten mir ein paar Fragen, und wir finden einen Weg, bei dem Sie keinen Anwalt brauchen. Und in einigen Jahren sind Sie in Ihrer Heimat ein angesehener Anwalt.«
»Richter«, murrte er. »Als Richter hat
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