Schwarzes Gold und rote Locken
Miss Palmers Mädchenschule gekündigt, ihre Koffer gepackt und war in die Stadt zurückgekehrt, in der sie geboren worden war.
Schon nach wenigen Wochen war ihr klargeworden, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Das Ölgeschäft wurde von lauter Hank Gordons dominiert. Männer waren Männer, Frauen waren Menschen zweiter Klasse, und der alte Hank Gordon war ein Narr, weil er die Firma seiner Tochter vererbt hatte.
Es stellte sich allerdings bald heraus, dass Hank dies keineswegs getan hatte. Das Testament von Angelicas Vater war genauso chaotisch wie seine Bücher. Kurz nach ihrer Ankunft in Dallas erfuhr sie, dass er die Gesellschaft einige Monate vor seinem Tod an das mächtige Landon-Imperium verkauft hatte.
Da die Landons sich nicht bei ihr meldeten, begann Angelica allmählich, sich einzureden, der Betrieb würde tatsächlich ihr gehören. Sie hatte sich in dem kleinen Büro eingerichtet und war zu den weitverstreuten Bohrfeldern hinausgefahren ...
Dort hatte sie katastrophale Zustände vorgefunden. Hank Gordon hatte zwar gewusst, wie man Öl fand, in geschäftlichen Dingen war er jedoch völlig hilflos gewesen. Er hatte Managementmethoden angewandt, die noch aus einer Zeit des Wilden Westens stammten.
Seufzend stand Angelica auf und ging unter die Dusche. Vor einigen Wochen hatte sie pflichtschuldigst den Quartalsbericht an die Zentrale von Landon Enterprises geschickt. Das Dossier besagte, dass die Ausgaben von Gordon Oil gestiegen, der Profit gesunken und die Crews unproduktiver denn je waren - und all das, seit sie die Firma übernommen hatte.
Angelica drehte die Wasserhähne zu und trocknete sich ab. Sie traf keine Schuld an dem Desaster. Wechsel in der Unternehmensführung waren immer mit Schwierigkeiten verbunden, besonders dann, wenn man es mit einer Horde Männer zu tun hatte, die tatsächlich die Meinung vertraten, die Welt wäre viel schöner gewesen, als noch die Planwagen über die weiten Ebenen rollten.
Sie musste dem Repräsentanten von Landon die Zusammenhänge begreiflich machen und erklären, dass sie nicht etwa an mangelnder Qualifikation, sondern an der Vielzahl der Probleme gescheitert war. Gott sei Dank würde der Mann ihre Sprache sprechen. Er verstand etwas von Diagrammen, Statistiken und Produktionszahlen.
Allmählich hoben sich Angelicas Lebensgeister wieder. „Geh mit einer positiven Einstellung in die Konferenz", sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Dann hast du auch Erfolg."
Mit energischen Bürstenstrichen versuchte sie vergeblich, ihr widerspenstiges Haar zu bändigen. Wieso war sie, eine ernsthafte junge Geschäftsfrau mit zwei akademischen Abschlüssen, mit einer so wilden Lockenmähne gestraft? Resigniert band sie die dichten Strähnen zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Wen interessierte schon ihr Haar? Sie musste den Mann von Landon Enterprises überreden, ihr noch ein wenig mehr Zeit einzuräumen, um Gordon Oil ins zwanzigste Jahrhundert zu führen.
Nach reiflicher Überlegung entschied Angelica sich für eine schlichte weiße Bluse, einen braunen Wollrock und einen dazu passenden Tweedblazer. Bei der Wahl der Schuhe zögerte sie ein wenig. Mit ihren einssiebzig war sie ziemlich groß für eine Frau.
Selbst wenn sie Pumps mit
relativ kleinen Absätzen trug, überragte sie womöglich ihren Besucher.
Ob er sich wohl dadurch gedemütigt fühlte?
Sie würde flache Schuhe anziehen und auf Nummer Sicher gehen. Das letzte, was sie brauchte, war ein gekränkter Gesprächspartner.
Zufrieden musterte Angelica sich im Spiegel. Sie sah tüchtig und kompetent aus -
überaus kompetent. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr verließ sie hastig das kleine Haus, das einst ihrem Vater gehört hatte, und stieg in ihren alten Sedan.
Gegen Mittag räumte Angelica ihren Schreibtisch auf und erteilte Emily, ihrer Sekretärin und Mädchen für alles, strikte Anweisungen. Der Bevollmächtigte wurde in einer Stunde erwartet. Emily sollte ihn begrüßen, ihm einen der nicht ganz so wackeligen Stühle anbieten und Angelica unverzüglich über seine Ankunft informieren.
„Und dann bringst du uns bitte Kaffee, wenn es dir nichts ausmacht, Emily. Du weißt, normalerweise bediene ich mich selbst, weil ich für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz bin, aber ... "
„Kein Problem, A. H.."
„Danke. Ach ja ... Kümmere dich bitte auch um alle Anrufe."
Um zwei Uhr wanderte Angelica ungeduldig in dem winzigen Büro auf und ab. Um halb drei ging sie ins Vorzimmer zu Emily hinaus. „Bist du
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