Schwarzes Prisma
lustige Aufgabe für die Trüben, und jeden Abend mussten sie sämtliche Gegengewichte wieder an ihren Platz bringen. Gavin konnte sich daran erinnern, das selbst getan zu haben. Es war keine besonders angenehme Erinnerung.
Der Aufzug führte natürlich nicht bis ganz nach oben in seine Gemächer fast unter dem Dach der Chromeria. Das wäre viel zu bequem gewesen – oder, wie die Schwarzgardisten zu sagen pflegten, zu unsicher. Es bestand kein Grund, Meuchelmördern einen direkten Weg zum Prisma oder zu anderen wichtigen Persönlichkeiten zu verschaffen.
Gavin ließ den Aufzug am oberen Ende des Schachtes halten und stieg vor der Wachstation aus, die dieses Stockwerk schützte. Hier waren vier Männer, einfache Wachen, keine Schwarzgardisten, und sie alle blickten schuldbewusst von ihren Würfeln auf. Anscheinend hatten sie das sirrende Seil zu spät bemerkt. Bei seinem Anblick, Gavin Guile persönlich, verschwitzt, schmutzig und hier, klappte ihnen der Unterkiefer herunter.
»Ich sage euch was«, bemerkte Gavin, während er die Bremse in seinen Gürtel steckte. »Ihr bewahrt Stillschweigen über diese Angelegenheit, und ich werde es ebenfalls tun.« Er schaute vielsagend auf ihre Würfel und die Münzen auf ihrem Tisch. Die Bewachung des Aufzugs in einem so hoch gelegenen Stockwerk musste langweilig sein, aber Luxlord Schwarz würde nicht erfreut sein zu erfahren, dass seine Soldaten im Dienst spielten.
Vier Köpfe nickten. Gavin trat in den nächsten Aufzug, der direkt neben dem lag, aus dem er soeben gestiegen war, und nahm seine gewohnte Position ein. Diesmal entschied er sich für eine menschlichere Geschwindigkeit.
Auf seiner Etage bewachten zwei Schwarzgardisten den Aufzug, und diese Männer würfelten nicht. Sie blinzelten nicht einmal. Beide hielten Speere in Händen, die Knie leicht gebeugt, eine Brille auf der Nase.
Wenn die Schwarzgardisten Dienst taten, taten sie Dienst.
Die Männer salutierten flott und schlugen ihre Speere zackig an ihre Schultern, dann drehten sie sich mit anmutigen Bewegungen und nahmen wieder ihre Plätze ein. Gavin ging an ihnen vorbei und schlüpfte in sein Zimmer. Ein wenig Ultraviolett öffnete die Fensterläden und schenkte ihm Licht. Er klingelte nach seiner Kammersklavin und ging zu seinem Badezuber. Der Tag würde noch eine Menge diplomatischer Anforderungen stellen, und das Wichtigste war, dass es auch seinen Bruder betraf, und vor ihm konnte er auf keinen Fall in diesem Zustand erscheinen. Es hätte als Schwäche gedeutet werden können. Er öffnete den Wasserhahn, prüfte das Wasser und erhitzte es mit Infrarot.
Er begann gerade sich auszuziehen, als die Tür geöffnet wurde und Marissia, seine Kammersklavin, eintrat. Sie war während des Krieges zwischen Ruthgar und den Blutwäldlern gefangen genommen worden. Wie die meisten Vertreter ihres Volkes war sie rothaarig und sommersprossig und hatte Augen wie Jade. In Karris’ Adern floss ebenfalls Blutwäldlerblut. Gavin hatte es nie für einen Zufall gehalten, dass seine Kammersklavin ein hübsches junges Mädchen aus dem Blutwald war. Die Weiße hatte zweifellos gehofft, einige seiner Gelüste abzustumpfen, die vor dem Krieg so viele Scherereien verursacht hatten. Das Mädchen war sogar Jungfrau gewesen, als sie vor zehn Jahren in seinen Dienst getreten war, was bedeutete, dass die Ruthgari, die sie gefangen genommen hatten, mehr an Gold als an Fleisch interessiert gewesen waren.
Marissia half ihm, seine schmutzigen Kleider abzulegen, und stapelte sie auf, um sie zum Waschen mitzunehmen. Dann stieg Gavin in den Badezuber. »Ich habe Nachrichten für Euch«, sagte sie. »Seid Ihr bereit, sie entgegenzunehmen?«
Gavin streckte eine Hand aus, befahl ihr zu warten und seufzte dann, während er sich in das heiße Wasser gleiten ließ. Nachrichten, Forderungen, kaum eine Minute zum Nachdenken.
»Berufe eine Versammlung des gesamten Spektrums ein. Wann, denkst du, ist der frühestmögliche Zeitpunkt dafür, Marissia?«
Marissia hatte bereits die Schnüre ihres Kleides gelöst, zog es mitsamt ihres Unterhemds über den Kopf und faltete die Kleidungsstücke rechts neben dem Zuber zusammen. Wenn es eine Fähigkeit gab, die Marissia während ihres zehnjährigen Dienstes bei Gavin nicht gemeistert hatte, dann die, so zu tun, als höre der Rest der Welt zu existieren auf, wenn die Möglichkeit bestand, mit ihm zu schlafen. Sie würde mit Gavin baden, sie würde mit Gavin schlafen, wenn er wollte, aber sie würde nicht
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