Schwarzes Prisma
Sie beendete ihr Werk und stieg aus dem Zuber. »Ich werde Euch Eure Kleider herauslegen«, fuhr sie fort, trocknete sich kurz ab, wickelte sich dann das Handtuch um die Hüfte und ging zu einem Schrank, um Kleider für ihn auszuwählen.
Er beobachtete sie anerkennend, dann schüttelte er sich.
Wenn ich so weitermache, werde ich nicht in der Lage sein, meine Hose zu verschnüren.
Nachdem sie seine Kleider herausgelegt hatte, kam sie zurück zum Zuber, und Gavin stand auf, aber er bedeutete ihr, sich zurückzuziehen. Heute würde er sich selbst abtrocknen. Marissia trocknete sich ganz ab und kleidete sich an, und das dauerte ungefähr so lange, wie Gavin brauchte, um sich die Brust trocken zu tupfen. Dann verließ sie den Raum.
Als er angekleidet war, öffnete Gavin den kleinen Wäscheschrank, nahm vorsichtig die übereinandergestapelten, gefalteten Tücher von den Regalen und brachte sie zu einem anderen Schrank, wo er sie sorgfältig wieder einräumte. Dann nahm er die Regalbretter aus dem Schrank und schob sie in eine Nische am anderen Ende des Raums. Das Ergebnis war eine freie Fläche in einem Schrank, der ihm kaum bis zur Brust reichte. Es war eine zeitaufwändige Prozedur, aber der Punkt war, dass niemand jemals sein Geheimnis entdeckte. Wenn jemand in seiner Abwesenheit hereinkam, musste der Raum einfach leer wirken. Wenn der Betreffende den Raum dann durchsuchte, sollte er nichts finden, was ungewöhnlich schien. Das war die zusätzliche Zeit und die Unannehmlichkeiten wert.
Gavin wandelte ein blaugrünes Brett von der Größe seiner Füße; es war schulterbreit und hatte ein Loch in der Mitte. Dann steckte er sich eine Fackel in den Gürtel, nahm das Brett, duckte sich und trat in den Schrank. Er schloss die Tür hinter sich. Der Boden unter seinen Füßen klickte. Damit es ein Geheimnis blieb, hatte er den Boden so entworfen, dass er sich nicht öffnete, es sei denn, die Tür war geschlossen. In gebeugter Haltung fand er den Haken, zog ihn hoch, fädelte ihn durch das Loch in seinem Brett und wickelte ihn sich um den Gürtel. Er ließ das Brett fallen und schob die Füße in die Schlitze darauf. Seine Vorrichtung basierte auf den Aufzügen des Turms, war jedoch vereinfacht, weil er niemanden hatte, der sie wartete, und keinen Platz für Gegengewichte. Im Wesentlichen waren es Seile in die Dunkelheit und ein Flaschenzug am oberen Ende.
Jetzt kam der beängstigende Teil. Gavin schob den Boden noch weiter auf – und fiel wie ein Stein in die Dunkelheit.
Der Flaschenzug sirrte, aber sein schriller Protest erstarb binnen Sekunden, während Gavin fiel. Es gab nicht den geringsten Widerstand. Er fiel schneller, schneller. Er zog die blaue Handfackel hervor und brach sie an seinem Bein auf. Der Schacht, den er sich in das Herz der Chromeria hinabgeschnitten hatte, war kaum anderthalb Schritte breit. Es gab nichts zu sehen außer glattem Stein und dem Seil; die eine Seite sirrte nach oben, und die andere Seite schoss mit Gavin in die Tiefe.
Er griff nach der Seilbremse in seinem Gürtel, aber durch seine Bewegung kippte das an seinen Füßen befestigte Brett, und er berührte an einer Seite die Wand des Schachts. Die Reibung riss ihn nach oben und ließ ihn auf der anderen Seite gegen den Fels krachen. Die Bremse entglitt ihm – und landete auf seinem Brett. Er griff danach. Griff daneben. Er zog die Knie hoch. Sein Rücken rutschte an der glatten Wand entlang, und schließlich packte er die Bremse.
Während er sich langsam wieder aufrichtete, ergriff er den Haken, befestigte das Brett an der Bremse und warf die Bremse in die sirrenden Seile. Er drückte die Bremse, wobei er sich nur allzu deutlich der Tatsache bewusst war, dass er, wenn er nicht stark bremste, vielleicht mit unglaublicher Geschwindigkeit auf dem Boden des Schachts aufschlagen würde, aber wenn er zu schnell bremste, könnte er entweder das Brett oder seine eigenen Beine brechen.
Seine Beine zitterten von der Anspannung, die es ihn kostete, stehen zu bleiben, während er schnell weiter hinabschoss und fünf breite weiße Linien passierte, die ringsum auf die Schachtwand gemalt waren. Sie zeigten an, dass er beinahe unten angelangt war. Einen Moment später passierte er vier breite weiße Linien. Immer noch zu schnell. Drei. Zwei.
In Ordnung, nicht allzu schlecht. Eine.
Er schlug mit einem überraschend harten Aufprall auf dem Boden auf. Seine natürliche Reaktion war es zu versuchen, sich abzurollen – was nicht gut funktionierte,
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