Schwarzes Prisma
zulassen, dass ihr Haar nass wurde, und anschließend würde sie ihr perfekt gefaltetes Kleid aufheben, es binnen einer Sekunde überstreifen und sich ihrer nächsten Aufgabe zuwenden. Marissia besaß viele hervorragende Eigenschaften, aber Hingabe an den Augenblick zählte nicht dazu.
»Die Luxlords Blau und Gelb sind heute drüben auf Großjasper«, sagte sie, während sie nach Seife und einem Waschlappen griff. »Gelb hat Verwandte zu Besuch und versteckt sich in einer der Tavernen. Schwarz arbeitet an seinem Rechnungsbuch und beschimpft jeden innerhalb einer Wegstrecke, und Rot hält sich wahrscheinlich in der Küche auf. Soweit ich weiß, befinden sich die anderen an ihren normalen Aufenthaltsorten auf Kleinjasper.«
So hübsch sie war – und die Weiße hatte sie offensichtlich ausgewählt, weil sie Karris ähnelte –, so war doch das Überraschendste an Marissia ihre Tüchtigkeit. Sie wusste alles und brachte jede Angelegenheit schnell auf den Punkt. Gavin hatte sich große Mühe gegeben, ihre volle Loyalität zu gewinnen, wohl wissend, dass er die Existenz seines Gefangenen unmöglich vor seiner Kammersklavin verborgen halten konnte – nicht für alle Zeit –, und wohl wissend, dass die Weiße sie ihm geschickt hatte, damit sie ihn ausspionierte.
Gavins Alternativen waren einfach gewesen: eine Abfolge von Kammersklavinnen durch seine Gemächer paradieren zu lassen, eine jede schnell loszuwerden und zu hoffen, dass sie nicht genug Zeit gehabt hatte, um sein Geheimnis zu entdecken, oder die absolute Loyalität einer einzigen Sklavin zu gewinnen. Karris mochte Marissia nicht, aber sie ignorierte sie. Zehnmal schlimmer wäre es gewesen, wenn Gavin jeden Monat eine neue Kammersklavin gehabt hätte – und wenn er das getan hätte, hätte das zweifellos bedeutet, dass er im Laufe der Zeit einer Spionin für jede adlige Familie gestattet hätte, sein Zimmer zu durchwühlen und die intimsten Details über ihn in alle Satrapien zu melden.
Außerdem brauchte er jemanden, der Brot in die Rutsche warf, wenn er fort war.
Trotzdem hatte die Weiße mit ihrer Wahl Marissias einen tadellosen Geschmack bewiesen. Obwohl ihr Körper ihm nach zehn Jahren beinahe so vertraut war wie sein eigener, war es immer noch eine Freude, ihre schlanken Kurven zu sehen. Sie ließ sich hinter ihn in den Zuber gleiten, Seife und einen Waschlappen in der Hand, und begann ihm Rücken und Schultern zu waschen.
»Dann heute Abend, nach dem Essen. Lass die Weiße wissen, dass ich sie gern in einer Stunde sehen würde.«
»Ja, Lord Prisma. Gibt es sonst noch etwas, bevor ich Euch die Nachrichten übermittle?«
»Nur zu.«
»Euer Vater wünscht, Euch zu sprechen.«
Gavin knirschte mit den Zähnen. »Er wird bis heute Abend warten müssen.« Er hob einen Arm, während Marissia seine Achselhöhle schrubbte.
»Und die Weiße möchte Euch daran erinnern, dass Ihr versprochen habt, nach Eurer Rückkehr diese Gruppe von Ultravioletten zu unterrichten.«
»Oh, Hölle.« Woher hatte sie überhaupt gewusst, dass er zurück war?
»Soll ich Euch die Haare waschen, Lord Prisma?«
Gavin wünschte sich nichts mehr, als Marissia zu genießen und sich dann bis zum Abend in einem heißen Bad zu entspannen, aber er musste noch etwas erledigen, bevor er mit der Weißen sprach, bevor er sich mit dem ganzen Spektrum traf und definitiv bevor er mit seinem Vater sprach.
»Keine Zeit«, antwortete er und versuchte, die aufsteigende Panik zu bekämpfen und die Enge in seiner Brust zu ignorieren bei der Aussicht auf das, was er tun musste.
Sie seifte seine Brust ein, und ihr Körper fühlte sich warm und glitschig an seinem Rücken an. Weich, tröstlich. Es war beinahe genug, um ihn zu entspannen. Sie küsste die Stelle in seinem Nacken, die ihn stets schaudern machte, und strich mit den Fingernägeln über seine eingeseifte Brust, seinen Magen und darunter. Sie küsste abermals seinen Nacken und zögerte.
Er gab einen klagenden Laut von sich. »Nein, dafür ist auch keine Zeit.« Wie gut kannte Marissia ihn? Oft, wenn keine Zeit war für Versammlungen oder andere Pflichten, war immer noch Zeit dafür.
Oft? Fast immer.
Sie berührte ihn unter Wasser, zögerte noch einen weiteren Moment, als wolle sie sagen: Eure Lippen sagen nein, aber jemand anderer sagt ja, bitte! Doch dann küsste sie abermals seinen Hals, ein flüchtiger Kuss, und begann die Seife von seinem Körper zu waschen. »Ich habe Euch ungeheuer vermisst, Lord Prisma«, sagte sie leise.
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